//Anzeige// Zwischen dem 13. und 21. Juni veranstaltet der BDA die Aktionswoche „Über-Setzen. Erkundungen auf der Veddel“. Daniel Kinz, 1. Vorsitzender des BDA, sprach mit DA. über diesen unterschätzten Stadtteil
DA.: Im Rahmen des diesjährigen Architektur Sommers wird im nördlichen Bereich der Veddel eine Aktionswoche vom Bund Deutscher Architekten (BDA) veranstaltet. Weshalb engagiert sich der BDA in solch einer Form?
Daniel Kinz: Der BDA ist ein Verband von selbstständigen Architektinnen und Architekten, die eine gesellschaftliche Verantwortung spüren, sich für die Themen der Baukultur und Stadtentwicklung engagieren und damit die gesellschaftliche Entwicklung begleiten und fördern. Architektur beschränkt sich schließlich nicht auf die Planung und den Bau von schönen Häusern. Wir verändern und formen vielmehr die Welt und unsere Städte, in denen wir leben. Sowas muss im Diskurs und in der Gemeinschaft passieren. An dieser Stelle wollen wir Fragen stellen, Themen setzen und Vorschläge machen.
DA.: Wieso hat sich der BDA ausgerechnet für den Veddeler Norden entschieden?
Daniel Kinz: Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen begrüßen wir es ausdrücklich, dass der Kleine Grasbrook beplant wird. Wenn man auf der Nordseite der Elbe steht und nach Süden blickt, sieht man das, was für Hamburg immer sehr wichtig gewesen ist – die Hafenwirtschaft. Andererseits stellt man fest, dass auf ganz vielen Flächen Dinge einfach nur deponiert werden. Hier stellt sich die Frage, ob es sich dabei nicht um Flächen handelt, die für eine Stadt so wertvoll sind, dass man sie anders nutzen könnte. Könnte man daher nicht besser das bereits versiegelte Hafenareal nutzen, statt im erweiterten Stadtgebiet Grünräume zu bebauen? Mit der Entscheidung den Kleinen Grasbrook zu entwickeln, richtete sich unser Blick damit relativ schnell auf die andere Elbseite und auf die Situation in der Nähe der Elbbrücken. Es fällt sofort auf, dass nicht nur der Kleine Grasbrook sondern auch die nördliche Seite der Veddel wahnsinnig spannende, jedoch noch völlig unbearbeitete Stadträume sind.
Zum anderen beschäftigten sich Studierende der HafenCity Universität (HCU) im Rahmen der dritten Ausgabe der BDA/HCU Denkfabrik im Wintersemester 2018/19 mit dem Veddeler Norden – genau mit der Stelle, an der die Aktionswoche stattfinden wird. Die beiden Vorstandsmitglieder Jan Löhrs und Tobias Münch ließen eine Gruppe von 25 Studierenden diesen Ort analysieren und neu planen.
DA.: Was zeichnet die Veddel aus?
Daniel Kinz: Die Veddel ist ein ganz besonderer Ort, weil sie diesen gewissen abgeschlossenen, burgähnlichen Charakter hat, der in den 1930er Jahren entstanden ist. Gleichzeitig liegt die Veddel in unmittelbarer Nähe zur HafenCity und zur Innenstadt. Da stellen sich spannende Fragen: Wie kommt man auf dem Südufer der Norderelbe an? An welchem Ort kommt man überhaupt an? Denn eigentlich schwebt man so ein bisschen über den Dingen und schießt mit der S-Bahn an der Veddel vorbei. Es geht darum, die Vernetzung zum Rest der Stadt hinzukriegen.
DA.: Der Veddeler Norden ist derzeit ein sehr umkämpfter Ort. Seit Jahren werden von lokalen Akteurïnnen eine bessere Nahversorgung und weitere Wohnbauten gefordert. Nun wurden die alten Zollgebäude im vergangenen Jahr unter Denkmalschutz gestellt. Stellt sich hier nicht die Frage nach dem richtigen und notwendigen Umgang mit diesem Ort?
Daniel Kinz: Die Entwicklung, die ursprünglich mal ins Auge gefasst worden war, ist das Übliche und Naheliegende, was im Moment in Hamburg überall passiert. Freie Flächen und Konversionsflächen werden für Wohnbauten genutzt. Dem gegenüber steht der Denkmalschutz. Der funktioniert allerdings nicht nach Stimmungslage. Man kann nicht einfach die Menschen auf der Straße fragen: Was wollt Ihr denn? Ich glaube aber, dass es eine Diskussion in der Stadtöffentlichkeit geben muss. Insbesondere an so einer komplexen Stelle, wie dem Veddeler Norden. Dieser Ort hat schließlich eine historische Bedeutung als Freihafen- und Zollgrenze. In diesem Sinne hat er in der Geschichte und Entwicklung der Stadt eine große Rolle gespielt. Ich finde, dass so eine Maßnahme – den Bestand abzureißen und das übliche Bauprogramm dort auszurollen – dem Ort nicht gerecht wird. Insofern passt das Ergebnis der studentischen Arbeiten genau in dieses Thema. Denn es gibt Vorschläge, die den Bestand erhalten und sich damit auseinandersetzen und deutlich weniger Bauprogramm umsetzen. Es gibt aber auch Lösungen, die daneben oder teilweise über die Zollgebäude bauen. Und es gibt andere Entwürfe, die den Bestand abtragen und eine ganz neue Lösung vorschlagen.
DA.: Während der Aktionswoche im Juni werden der Veddeler Norden und der Kleine Grasbrook auf unterschiedliche Art und Weise erkundet. Was erwartet die Besucher?
Daniel Kinz: Die Auftaktveranstaltung wird die Eröffnung von zwei Ausstellungen sein. Bei „Do’s, Don’ts and Donuts“ stellen die Studierenden ihre Arbeiten zum Veddeler Norden vor. Die Ausstellung „Transformationsraum Innere Stadt“ der HafenCity GmbH beschäftigt sich mit den Entwicklungsgebieten Kleiner Grasbrook und Billebogen. Ich bin sehr gespannt, ob und wie sich die Inhalte der beiden Ausstellungen überschneiden werden. Sind das ähnliche Ansätze oder haben sich die „Profis“ etwas völlig anderes gedacht als es unsere Studenten erarbeitet haben?
Wir werden uns in der Woche auch auf eine Expedition begeben und echtes Neuland erkunden. In der Expedition geht es um diese beiden Orte und die Verbindung zueinander. Unter dem Titel „Über-Setzen. Erkundungen auf der Veddel“, der auch stellvertretend für die gesamte Aktionswoche steht, werden wir eine Bootsfahrt mit dem ehemaligen Oberbaudirektor Jörn Walter unternehmen. Wir werden das nördliche Ufer, sowohl der Veddel, als auch vom Kleinen Grasbrook, von der Wasserseite aus erkunden. Zu den Hafenbecken und historischen Orten gibt es auch einige interessante Geschichten – von Bananenreifungsanlagen bis zu Gebieten, die der Tschechischen Republik angehören. Das ist sehr spannend.
Dann wird es einen experimentellen Stadtrundgang geben. Mit dem Titel „Sprichst du Veddel?“ was übersetzt im Sinne von „Verstehst Du die Veddel?“ verstanden werden kann, wird es eine Ortserkundung mit der Stiftung Freizeit geben. Das ist eine Berliner Gruppe, die die Besucherinnen und Besucher auf die ein oder andere Merkwürdigkeit und Besonderheit der Veddel aufmerksam machen wird. Beim Rundgang werden wir uns auf die Suche der Quartiersidentität begeben.
Mit der Podiumsdiskussion „Hamburg geht Baden“ wollen wir uns mit der Lage am Wasser beschäftigen und die Fragen stellen: Wie kann man mehr aus den Wasserlagen in Hamburg machen? Warum kann man in der Elbe nicht baden? Welche Badearten wären in der Elbe zulässig? Der Veddeler Norden stellt in diesem Fall einen exemplarischen Ort dar. Dazu haben wir verschiedene Referenten u.a. aus Berlin und Kopenhagen eingeladen. In diesen Städten wurden solche Konzepte zum Teil bereits umgesetzt. Wir finden, das müsste man doch eigentlich in Hamburg auch möglich machen können.
Die Aktionswoche endet schließlich am Freitag, den 21. Juni nach einem Resümee dem einem Sommerfest „Sommer, Sonne, Veddel-sein“.
DA.: Funktioniert die Veddel ohne den Kleinen Grasbrook bzw. funktioniert der Kleine Grasbrook ohne die Veddel?
Daniel Kinz: Bisher funktioniert die Veddel ja erstaunlich gut. Sie würde auch weiterhin gut funktionieren, wenn sich der Kleine Grasbrook nicht entwickeln würde. Es können natürlich durch den Kleinen Grasbrook zusätzliche Punkte dazu kommen, die es bisher auf der Veddel nicht gibt: Zum Beispiel moderne Arbeitsplätze, die sich in fußläufiger Nähe befinden. Oder eine Durchmischung der Bewohnerschaft, die sicherlich ihre kritischen Aspekte hat, aber im Sinne einer gesunden Mischung von Stadtgesellschaft als eine bereichernde Entwicklung aufgefasst werden sollte.
Umgekehrt könnte man sagen, man entwickelt den Grasbrook ganz autark und kümmert sich nicht um das Gelände rechts und links. Dann wird das aber eine Insel bleiben. Der städtische Maßstab würde vergessen. Es geht eben nicht um die Entwicklung von 3.000 Wohnungen auf dem Grasbrook. Sondern es geht darum, die Vernetzung zur Stadt zu bewerkstelligen. Das funktioniert aber nur in Verbindung mit der Veddel und in einem größeren Maßstab. Damit würden sich in die anderen Richtungen weitere Entwicklungsgebiete auch wieder miteinander vernetzen.
DA.: Wird es einen Output aus dieser Aktionswoche geben? Wie geht man mit den Ergebnissen der studentischen Arbeiten um?
Daniel Kinz: Eine Form des Outputs ist die Ausstellung der Studierenden. Was wir zusätzlich machen, ist, dass wir gezielt verantwortliche Personen, wie den Oberbaudirektor oder die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen einladen, sich mit uns gemeinsam die Ausstellung anzuschauen. Wir spekulieren auch etwas drauf, dass die ein oder andere verrückte Studentenidee vielleicht nicht direkt genommen und umgesetzt wird, aber zumindest als Gedanke haften bleibt. Vielleicht poppt sie in einem entscheidenden Moment wieder auf und wird umgesetzt.
Das wäre eigentlich das schönste Ergebnis: Wenn man eines Tages dastehen und sagen würde: Mensch guck mal, das ist doch damals entstanden. Dieser Gedanke, der hat auf Umwegen seinen Weg in die Realisierung gefunden.
Weitere Informationen zum Programm finden Sie auf der Webseite des BDA Hamburg.
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//Dieser Artikel entstand im Rahmen einer bezahlten Kooperation mit dem BDA Hamburg//