Kultur

The Future Is Not Male

Am heutigen Weltfrauentag blicken wir erneut auf die Gleichstellung von Frauen in Architekturbüros. Was hat sich geändert?

In der Architekturbranche herrscht Umbruchstimmung. Der BDA hat sich um die Bezeichnung „Architektinnen“ erweitert und heißt nun Bund Deutscher Architektinnen und Architekten. Bei den Architektenkammern bleibt zwar das generische Maskulinum im Namen – dafür gendert die Hamburgische Architektenkammer auf der Webseite mit Sternchen. Auch Architekturbüros erkennen langsam, dass es bei der direkten Ansprache potenzieller neuer Mitarbeiter:innen im Titel der Stellenausschreibung mehr als die beiden Geschlechter gibt (m/w/d). Es weht ein frischer Wind der Veränderungen. Oder?

Andreas, Jan, Stefan, Christian, …

Setzt sich der fortschrittliche Gedanke auch innerhalb der Bürostrukturen fort? Wer prägt unsere bauliche Umgebung? Dafür reicht ein Blick auf die ersten drei Preisträger:innen des letzten BDA Hamburg Architektur Preises. Wie heißen diese Menschen?

Adam, Alexandra, André, Andreas, Andreas, Andy, Bernhard, Bertram, Catharina, Christian, Christian, Christiane, Dominik, Ekkehard, Frank, Franz-Josef, Friedrich, Gordon, Heiner, Helmut, Herwig, Hille, J’orn, Jan, Jan, Jens, Jo, Johann, Jörg, Kevin, Klaus, Klaus Theo, Konstantin, Kristin, Malte, Markus, Martin, Meinhard, Michael, Neil, Nicolas, Nils, Nina, Nina, Olaf, Paul, Peter, Sergei, Simon, Stefan, Stefan, Stephen, Thomas, Timm, Tobias, Volkwin.

Insgesamt 22 Büros wurden mit den ersten drei Preisen ausgezeichnet, davon werden 19 Büros nur von Männern geführt, bei zwei Büros sind Frauen Teil der Geschäftsführung. Lediglich ein Büro wird alleine von einer Frau geführt. Dem mag ein Schrei der Empörung folgen – schließlich bilde das nicht die Büros ab. Dort würden doch Frauen arbeiten, die sogar maßgeblich an den Projekten beteiligt seien. Das stimmt. Eine Umfrage der Bundesarchitektenkammer aus dem vergangenen Jahr ergab, dass genauso viele Frauen wie Männer in Architekturbüros arbeiten. Bei jüngeren Jahrgängen sind es sogar mehr Frauen als Männer.

Geschlechtsspezifische Zusammensetzung nach Alter | Quelle: Bundesarchitektenkammer

26% oder 1.340 Euro

Und doch setzt sich die ungleiche Verteilung beim Gehaltsunterschied fort. Die Bundesarchitektenkammer befragte im vergangenen Jahr rund 10.500 Personen, knapp 9.400 Personen machten dabei Angaben zu ihren Gehältern. Aus der Umfrage ergab sich ein prozentualer Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen, der sogenannte Gender Pay Gap, von 26%. Während Männer im Durchschnitt Vollzeit 5.170 Euro verdienten, erhielten Frauen 1.340 Euro weniger im Monat. Das ist ein Prozent weniger als 2017. Damals lag das Durchschnittsgehalt bei Männern bei rund 4.710 Euro und bei Frauen 3.450 Euro.

Der Gehaltsunterschied liegt daran, dass Frauen in der Regel häufiger in Teilzeit arbeiten, was automatisch zu geringeren Verdiensten führt. Außerdem sind Frauen häufiger in Architektur- und Stadtplanungsbüros angestellt als ihre männlichen Kollegen. Diese arbeiten zunehmend in der gewerblichen Wirtschaft und werden dort besser bezahlt. Betrachtet man demnach nur die Gehaltsunterschiede von Frauen und Männern, die in Architekturbüros angestellt sind, so ergibt sich eine monatliche Differenz von 800 Euro. Dennoch sind Frauen deutlich seltener (53%) in leitenden Positionen angestellt als Männer (74%), selbst bei gleicher Berufserfahrung und Vollzeit. Dieser Unterschied hat aber weder damit zu tun, dass Frauen ggf. weniger Berufserfahrung haben, noch dass sie in Teilzeit arbeiten: Frauen finden sich einfach weniger in leitenden Positionen als Männer. Nach außen sichtbar bleiben demnach Männer. Männer, die auf Podien diskutieren, zu Vorträgen und Podcasts eingeladen werden, in Jurys sitzen und damit letztlich aus ihrer Perspektive auf die Gestaltung unser städtebaulichen Umwelt Einfluss nehmen.

Verteilung der Tätigkeiten | Quelle: Bundesarchitektenkammer

Es stellt sich daher die Fragen: Sind die Bürostrukturen bis heute nach männlichen Bedürfnissen ausgerichtet? Streben Frauen seltener solche leitenden Positionen an oder entscheiden sich Geschäftsführer vermehrt für Männer? Woran liegt das? Wie lassen sich strukturelle Ebenen anpassen?

Frauen werden sichtbar

Immerhin, es tut sich was. Frauengeförderte Netzwerke etablieren sich zunehmend und treten in die Öffentlichkeit. So etwa das Festival „Women in Architecture“ (WIA), das diesen Sommer zwischen Juni und Juli in Berlin geplant ist. Ziel ist es, Frauen innerhalb der Architekturbranche stärker zu vernetzen und deren Arbeit sichtbar zu machen. Gemeinsam mit dem Netzwerk n-ails e.V., der Architektenkammer Berlin sowie weiteren Institutionen finden vier Wochen lang Workshops, Ausstellungen, Symposien, Filmreihen und viele weitere Formate statt.

„Wir verstehen Gleichstellung als große Chance für den überfälligen Umbau unseres Berufsbildes. Der Wandel, der aktuell gesellschaftlich vollzogen wird, fordert auch eine Veränderung bisheriger Rahmenbedingungen und die Öffnung tradierter Arbeitsstrukturen. Das WIA Festival macht Frauen Mut, sich an diesem Umbau zu beteiligen, stärkt ihre Sichtbarkeit und führt zu mehr Vielfalt in unserem Berufsstand.“

Bundesarchitektenkammer e.V. – Projektgruppe Chancengleichheit

In Hamburg engagiert sich seit über 20 Jahren das Netzwerk PIA für die Stärkung von Frauen, die in der Planung tätig sind. Das Netzwerk trifft sich regelmäßig zur Vernetzung in Hamburg.

Die feministische Stadt

Neben der strukturellen Ebene wird sich auch die Entwurfspraxis perspektivisch ändern. Unsere Städte und Gebäude werden aus einer stark heteronormativen Perspektive geplant. Dadurch werden Minderheiten ausgegrenzt, was man beispielsweise an der Gestaltung und Nutzung öffentlicher Räume erkennen kann. Das feministische Kollektiv fem_arc aus Berlin hinterfragt kritisch solche heteronormativen Planungsarten. Auf intersektionaler Ebene setzen sie sich mit Gender und der gebauten Umwelt auseinander. Für wen sind die Räume zugänglich? Hierzu gibt es hörenswerte Audiotouren.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

How can listening to stories about the feminist appropriation of (urban) spaces facilitate the reassessment of our own bodies in space? – Teaser F WALKS auf YouTube

Der Weltfrauentag ist eigentlich ein feministischer Kampftag

Betrachtet man die Geschwindigkeit der bisherigen Veränderungen, so ist der Weg zu einer Gleichstellung in der Architekturbranche noch sehr lang. Die Debatte muss künftig zudem auf intersektionaler Ebene betrachtet werden. Denn die Diskriminierung betrifft nicht nur weiße cis-Frauen. Sie trifft BIPoC, nicht-binäre Menschen und Transpersonen. Bis dies allerdings der Fall ist, muss die Arbeit von Betroffenen geleistet werden. Daher: Vernetzt euch, sprecht miteinander – über eure Gehälter, Urlaubstage, etc. – informiert euch, bildet Banden. Gemeinsam könnt ihr Veränderungen erreichen.

Büroinhaber:innen sollten sich derweil dringend Gedanken darüber machen, welche Möglichkeiten es gibt, für eine bessere Diversität in leitenden Positionen zu sorgen. Wir bleiben weiter dran und evaluieren die Entwicklung regelmäßig. Bis dahin wird weiter und lauter gekämpft. Und das nicht nur am 8. März, sondern jeden Tag. The future is not male.