Kolumne Kultur

Kolumne // Einmal neu Wohnen, bitte.

Kolumne Baugemeinschaft 01

Episode 1: Wie möchte ich in Zukunft wohnen? Was passt zu mir? Und warum ich seit Neuestem Speed-Date…

Ich muss zugeben, dass ich mir niemalsnie auch nur erträumt hätte, über ein Eigenheim nachzudenken. Während sich einige Freund*innen zurzeit überlegen, ihr Wohnglück auf dem Land bzw. am Stadtrand zu finden – „Zentraleres kann man sich eh nicht mehr leisten…“, zuckte ich bisher nur mit den Schultern – meine Mietwohnung reicht mir. 

Was nämlich für die meisten als Wohntraum angestrebt wird, stellt meinen persönlichen Albtraum dar: Ich lebe in einem Einfamilienhaus irgendwo am Stadtrand. Wo das Wachstum meines Vorgartenrasens akribisch überwacht wird und wo der Bus, wenn’s gut läuft, einmal die Stunde vorbeifährt?  Nein, vielen Dank, das können Sie gerne wieder mitnehmen. Ich bin zentrumsnah in einer Großstadt aufgewachsen – man kann mich nicht einfach so am Stadtrand aussetzen – ohne ordentliche ÖPNV-Anbindung, das Kino oder das Lieblingsrestaurant um die Ecke. Dazu käme noch die massive Flächenüberforderung, die ich immer wieder in Einfamilien- oder Reihenhäusern erlebe. Eine Mietwohnung ist für mich und meinen Wohnanspruch die übersichtliche und ideale Lösung.

Doch dann kamen das Leben gemeinsam mit der niemals endenden Spekulationspraxis auf dem Wohnungsmarkt dazwischen und setzte mir schön drapiert als große Portion mit extra scharf die Frage zu meinen Wohnvorstellungen auf meinen Zukunftsplanungsteller. Werde ich es mir leisten können, im höheren Alter die Miete, die ich aktuell aufbringe, noch zahlen zu können? Und wer sagt mir, dass meine Miete bis dahin überhaupt noch der heutigen entspricht? Ist das die richtige Altersvorsorge? Also doch in den sauren Apfel beißen, Eigentum erwerben und mich für die nächsten Jahrzehnte verschulden, um dann in der Peripherie Hamburgs unzufrieden leben zu müssen? 

Sicherlich, ich könnte einer Genossenschaft beitreten –das versuche ich auch schon seit einigen Jahren – die Wartelisten sind allerdings lang und ich möchte mir gerne den Stadtteil aussuchen, in dem ich leben möchte. Sind meine Wohnansprüche einfach zu hoch? Was kann ich also tun, um proaktiv gegen das bevorstehende Wohndesaster vorzugehen? 

Nach zahlreichen Diskussionen und langem Hin- und Herüberlegen mit dem Partner kam schließlich die Idee auf, die Wohnidee in einer Baugemeinschaft umzusetzen. Diese funktioniert sowohl im Eigentum als auch im genossenschaftlichen Modell, man teilt sich das Gebäude mit anderen, ich umgehe damit meine Flächenüberforderung, habe die Möglichkeit, meine Wohnwünsche zu verwirklichen und kann im Idealfall zentrumsnah in der Stadt leben. Schließlich wird in Hamburg gebaut und Grundstücke werden bei öffentlichen Verfahren auch an Baugemeinschaften vergeben. Solange das Konzept stimmt.

„Und was willst Du so?“

Das Thema versickerte im Alltag, bis ich vor einigen Monaten eine Mitteilung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen entdeckte: Die Agentur für Baugemeinschaften startet die Kontaktbörse „Baut zusammen!“. In regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen können sich Interessierte miteinander vernetzen und über die Anforderungen, Hürden und Chancen von Baugemeinschaften informieren. Für mich war das die ideale Gelegenheit, mich dem Thema ernsthaft zu widmen. 

Der erste Termin stand fest, sodass wir uns ohne zu Zögern gemeinsam mit über 100 anderen Interessierten zur „Starter-Info“ in der Kulturetage in Altona einfanden. Zur Anmeldung konnte man sich als Expert*in, Teil einer bestehenden Baugemeinschaft oder als suchende Person kategorisieren lassen. Die Blicke wanderten interessiert von einem Schildchen, zum Gesicht dann zum nächsten Schildchen – mit der stetigen Frage im Hinterkopf: Werden wir in Zukunft mehr miteinander zu tun haben? Die Antwort erhielt ich dann während der ersten Speed-Dating Runde. Drei Minuten Zeit, um aus der Person rechts von mir vielleicht tatsächlich eine*n künftige*n Nachbar*in werden zu lassen? Und so lernte ich eine junge Familie kennen, die auf der Suche nach einer schönen Wohnung westlich der Alster sind. Am besten irgendwo zentral in Altona Altstadt oder Ottensen, mit Stuckdecken und Parkettboden, sofort bezugsfertig und irgendwie bezahlbar, sagte der Mann nervös lachend. Da man auf dem üblichen Weg kaum noch realistische Angebote findet, ist die Idee, sich einer bestehenden Baugemeinschaft anzuschließen. Neu bauen und auch in einen anderen Stadtteil ziehen, können sie sich nicht vorstellen. Es ist doch auch so schön in Altona. Warum wegziehen? 

Ja, warum? Ist es möglich, sich diesen Wohntraum in diesem Zeitraum an diesem Standort zu verwirklichen? Oder gleicht so eine Vorstellung einer Hamburger Utopie, die jedoch mit entsprechendem Kapital zur Realität werden kann? Wie sieht die Baugebietslage in Hamburg überhaupt aus? Und wo möchte ich leben? Wie möchte ich leben? Sind wir die Sache zu blauäugig angegangen? Schließlich sollte man laut Expert*innen wissen, wie groß die Gruppe sein soll, was unser Konzept ist, was mit welchem Budget möglich ist und wo wir bauen wollen. Also nichts wie los und so schnell wie möglich Antworten auf diese Aspekte finden. Nach zwei Stunden und einer zweiten Speed-Dating Runde, die wir dafür nutzten, um uns mit Getränken und Snacks von weiteren Gesprächen fernzuhalten, verließen wir die Kulturetage völlig überfordert und irgendwie etwas euphorisch. Gleichzeitig fragten wir uns, wie wir das auch noch so nebenbei wuppen sollen. 

Wie wohnt Ihr? Wie wollt Ihr wohnen?

Da ich denke, dass das Bauen in Baugemeinschaften für viele von Euch noch recht neu ist, möchte ich künftig hier über meine Erfahrungen zu diesem Thema berichten. Wie funktioniert das genau? Wie einfach findet man das Konzept? Und wer sind meine Mitstreiter*innen? Aber es soll nicht nur über meine Planungen gehen – ich möchte Euch auch andere Wohnprojekte vorstellen. Und ich möchte gerne von Euch wissen, wie Ihr am liebsten wohnen würdet – ist es das Eigenheim im Grünen, das Stadthaus in der Nähe des Zentrums, die bunte Baugemeinschaft in einer Mischnutzung oder würdet Ihr am liebsten in Eurer WG zur Miete auf dem Kiez bleiben? Warum? Schreibt mir dazu gerne Euren Kommentar.

In der nächsten Episode: Ich weiß wo ich hin will! Mehr oder weniger. Aber wie will ich da wohnen?