Vor 100 Jahren wurde das Bauhaus in Weimar gegründet. Dieses Jubiläum ist Anlass für zahlreiche Verlage, sich mit der Thematik näher zu beschäftigen. Schon seit Monaten werden wir mit Wiederauflagen, Neuerscheinungen und neuen Entdeckungen aus diesem Zeitraum versorgt. Wer also nach diesem Jahr kein*e Bauhausexpert*in ist, dem/der kann man auch nicht mehr weiterhelfen. Ich stürzte mich in den vergangenen Monaten euphorisch auf einige Neuerscheinungen und muss zugeben, dass ich größtenteils enttäuscht wurde. Entweder hakte es am Erzählstil oder die Geschichten waren dermaßen öde konstruiert, dass man bereits im ersten Drittel wusste, worauf die Autor*innen hinaus wollten. So richtig befriedigend fand ich bisher keinen Roman, der sich mit der Zeit am Bauhaus befasst.
Ich finde es generell schwer, gute Romane zu finden, in denen es um Architektur bzw. Architekt*innen geht. Vielleicht liegt es daran, dass Architektur als Hauptthema für Schriftsteller*innen zu gehaltlos ist, um darüber zu schreiben. Doch die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt – denn gerade lese ich einen Roman, der sich mit Architektur befasst und auch noch gut geschrieben ist. Mehr dazu in den Buchtipps. Viel Vergnügen.
Ulrich Schwarz (Hg.), Harmut Frank (Hg.) – neue heimat. Das Gesicht der Bundesrepublik.
Bauten und Projekte 1947 – 1985
Vor wenigen Wochen eröffnete erst die Ausstellung neue heimat in der Pinakothek der Moderne in München. Anlass dafür war die Schriftenreihe, die vom Hamburgischen Architekturarchiv aufgearbeitet und nun als Buch herausgegeben wurde. Kaum ein anderes Thema beschäftigt die Großstädte so immens, wie die Diskussion um Nachverdichtung und Wohnen.
„Die Neue Heimat hat zwischen 1947 und 1985 Hunderttausende von Wohnungen in der Bundesrepublik errichtet. Sie war der größte Wohnungsbaukonzern Europas. Nach dem Motto »Wir machen alles« baute sie auch Universitäten, Kongresszentren, Großkliniken, Hotels, Schulen, Ferien-, Einkaufs- und Sportzentren bis hin zum Fernsehturm und zur Seilbahn. Der Konzern prägte das Gesicht der Bundesrepublik nachhaltig – städtebaulich und architektonisch.“
Erschienen bei Dölling und Galitz
Sharon Francis – Bubbletechture
Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich das erste Mal im Küchenmonument von raumlaborberlin saß. Ich war begeistert, wie man mit so einfachen Mitteln einen ungenutzten Ort bespielen und einen völlig neuen Raum schaffen konnte. Solche (temporären) Architekturen können wir in unserem Stadtraum mehr gebrauchen. Eine Vielfalt aufblasbarer Möglichkeiten zeigt das Buch Bubbletechture. Diese reicht von Gebäuden bis zum Kinderspielzeug. Ob ein aufblasbarer Hocker dann auch das Richtige für mich ist, bezweifle ich. Dennoch kann man sich in dem Buch von dieser außergewöhnlichen Leichtbauweise davontragen lassen.
“Although inflatable objects have been around for more than 200 years, architects, artists, and designers keep rediscovering this deceptively simple – often playful, and occasionally bizarre – technology. Bubbletecture brings together inflatables in every conceivable size, shape, and hue across the realms of architecture, design, art, and fashion. From inflatable dresses and hats to buildings employing cutting-edge technologies, from ingenious chairs, lights, bowls, and even egg cups to children’s toys and provocative art installations, Bubbletecture demonstrates that inflatable design is simply irresistible.“
Erschienen im Phaidon Verlag.
ARCHIGRAM – THE BOOK
Die außergewöhnlichen Collagen und Entwürfe von Archigram begegneten mir bereits während des Studiums. Die teilweise psychedelischen und utopischen Entwürfe und Zeichnungen stellten hervorragend das Verständnis von Stadt und Architektur des Kollektivs heraus. Nun wurde ein neuer Band zu den Werken von den Künstlern des Kollektivs selbst zusammengestellt und gestaltet.
“Dies ist das definitive Buch über eine der bekanntesten Avantgardegruppen der Architekturgeschichte: die britische Gemeinschaft Archigram, die von 1960 bis 1974 aktiv war. Archigram war die zentrale Strömung der utopischen Avantgarde-Architektur in den westlichen Ländern und übte ihren Einfluss nicht aufgrund realer Bauten, sondern durch die Veröffentlichung gezeichneter Entwürfe aus. Diese bestanden nicht aus nüchternen Planzeichnungen, sondern boten eine raffinierte und suggestive Mischung aus Pop-Art, Comic, Agitprop und Fotomontage.
Archigram – The Book erzählt nun erstmals die ganze Geschichte der aufregenden 14 Jahre Archigram, vom ersten Flugblatt bis zur Auflösung der Gruppe. Alle wichtigen Entwürfe, Architekturprojekte, Masterpläne, Ausstellungsarchitekturen und Aktionen werden anhand von Zeichnungen, Modellfotos, programmatischen Collagen und Fotomontagen dargestellt. Ein besonderer Platz kommt auch den legendären Magazinen und Postern zu, die den Ruhm von Archigram in die Welt trugen und im Buch faksimiliert sind. Die Originalmaterialien werden eingeordnet durch Kommentare der Mitglieder aus heutiger Optik sowie durch damalige und aktuelle Essays anderer bekannter Autoren.“
Erschienen bei Park Books.
Jana Revedin – Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus
Dieses Buch habe zu Weihnachten geschenkt bekommen. Ich habe mich sehr darauf gefreut, denn ich kannte Ise Frank und ihre Rolle am Bauhaus vorher gar nicht. Der Roman ist sehr schön erzählt, allerdings dreht sich die gesamte Geschichte um Ise und ihre Beziehung zu Walter Gropius. Ich hatte mir erhofft, etwas mehr von ihren Aufgaben am Bauhaus zu erfahren – schließlich schien sie doch einen ziemlichen Einfluss gehabt zu haben. Ise Frank war eine bemerkenswerte Frau – für die Autorin Jana Revedin bleibt sie schließlich doch nur die Ehefrau von Walter Gropius.
Wer jedoch an einer anderen Perspektive von Walter Gropius interessiert ist und einen schön geschriebenen Roman aus dieser Zeit lesen möchte, dem/der kann ich das Buch empfehlen.
„Die sechsundzwanzigjährige Ise Frank, Tochter einer großbürgerlichen jüdischen Familie, beginnt im München der frühen 1920er-Jahre eine Karriere als Buchhändlerin und Rezensentin. Ihr Leben erfährt eine neue Wendung, als sie den Architekten und Bauhausgründer Walter Gropius kennenlernt. Heute ist ihr Name vergessen: Doch Ise Frank war weit mehr als die Ehefrau von Walter Gropius und Sekretärin der berühmten Architektur- und Designschule. Als Journalistin und Autorin bestimmte sie den Kurs des Bauhauses entscheidend mit. Vor allem aber stellte sie sicher, dass seine bahnbrechenden Gestaltungs- und Lehrideen in der Nazizeit – und auch danach – nicht in Vergessenheit gerieten. Ise Frank, nur scheinbar Randfigur, tritt in diesem biografischen Roman erstmals in den Mittelpunkt.“
Erschienen im Dumont Verlag.
Magdalena Droste – bauhaus
Der Klassiker, der das Bauhaus recht gut zusammenfasst, erscheint zum Jubiläum als überarbeitete Ausgabe.
„In einem Zeitraum von nur vierzehn Jahren zwischen den beiden Weltkriegen veränderte die Kunst- und Gestaltungsschule Bauhaus das Antlitz der Moderne. In Zusammenarbeit mit dem Bauhaus-Archiv in Berlin zeichnet diese aktualisierte Ausgabe mit über 550 Abbildungen auf 400 Seiten die Geschichte und Wirkung dieser legendären Kulturinstitution nach, deren Gestaltungsbegriff das 20. Jahrhundert geprägt hat.“
Erschienen im Taschen Verlag.
Sophie Wolfrum und Alban Janson – Die Stadt als Architektur
Über Sophie Wolfrum stieß ich das erste Mal 2008, als das Buch Multiple City von ihr mit herausgegeben wurde. Die Publikation sammelte in Texten unterschiedlicher Autor*innen die Entwicklungen urbaner Stadtkonzepte. Diese Texte prägten mich in meinem weiteren Stadtverständnis.
Vor Kurzem erschien nun „Die Stadt als Architektur“. Es versteht sich als Weiterentwicklung der 2016 erschienenen Publikation „Architektur der Stadt“, die wiederum den Rossi-Klassiker „L’Architecttura della Città“ aus den 1960er Jahren weiterdenkt.
„Architektur gestaltet komplexe räumliche Situationen, die Gegenstand des städtebaulichen Entwurfs sind. Der Entwurf setzt ein Repertoire spezifisch architektonischer Mittel schöpferisch ein, damit Städte als räumliche Gestalt erlebt und erfahren werden können.
Das vorliegende Buch beschreibt dieses Repertoire, mit dem Architektur und Entwurf wieder Eingang in die Urbanistik finden. Es plädiert für einen „architectonic turn“ in der Urbanistik – eine Aufforderung, die Stadt endlich architektonisch aufzufassen: Es geht nicht lediglich um die Gebäude in der Stadt, sondern um die Architektur der Stadt als Ganzes, wie es der neue Titel Stadt als Architektur unmissverständlich zum Ausdruck bringt.”
Erschienen im Birkhäuser Verlag.
Gloria Köpnick, Rainer Stamm – Die Bauhaus-Postkarten
Es muss ja auch nicht immer was zum Lesen sein. Zwar kann man noch Einiges über die berühmte Kunsthochschule erfahren, doch manchmal reicht es auch, die wundervollen Plakate und Einladungen, die von den bekannten Künstlern gestaltet wurden, zu betrachten, um mehr zum Verständnis über das Bauhaus zu erfahren.
„1919 von Walter Gropius in Weimar als Kunstschule gegründet, wurde das Bauhaus rasch zum Treffpunkt der europäischen Avantgarde. Mit Weltoffenheit und internationaler künstlerischer Vielfalt zog das Bauhaus bald weltberühmte Künstler an: Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee, László Moholy-Nagy und Oskar Schlemmer unterrichteten dort. Gemeinsam mit den Studenten gestalteten sie zwischen 1921 und 1923 Postkarten und handaquarellierte Einladungskarten zu den Festen und Ausstellungen am Bauhaus, die hier zum großen Jubiläum erstmals in einem Band versammelt sind. Eine exklusive Bauhaus-Sammlung im Taschenformat.“
Erschienen im Suhrkamp Verlag.
Bernd Polster – Walter Gropius
Kaum ein deutscher Architekt steht derzeit mehr im Vordergrund als Walter Gropius. Bernd Polster hat das Leben des Architekten zusammengefasst.
„Er zählt zu den Großen der modernen Architektur: Was aber hat Walter Gropius wirklich gebaut? Nicht viel. Und das ist nicht erstaunlich, denn nach zwei Jahren Studium war klar, dass ihm jedes Talent zum Architekten fehlte. Doch er gründete ein Architekturbüro, wo andere jene Bauten entwarfen, die heute als Ikonen der Moderne gelten. In seinem Netzwerk tauchen alle Namen auf, die in der Geschichte der Architektur und des Designs im 20. Jahrhundert eine Rolle spielen. Wer wollte da an seiner Bedeutung zweifeln? Bernd Polster hat Gropius’ Leben akribisch erforscht – man wird es in Zukunft nicht mehr als Heldengeschichte, sondern als Schelmenroman erzählen.“
Erschienen im Hanser Verlag.
Jochen Schmidt – Ein Auftrag für Otto Kwant
Endlich ein Roman, der sich auf sehr humorvolle und zynische Weise mit der Baukunst und dem eigenwilligen Dasein von Architekt*innen beschäftigt. Die ersten 50 Seiten, die ich bisher gelesen habe, gefielen mir sehr gut. Der Humor ist super und passt perfekt zur Geschichte und zum Protagonisten. Otto Kwant wird sicherlich ein aufregend-lustiges Abenteuer erleben. Ich freue mich auf den Rest der Geschichte.
„Otto Kwant, aus einer Dynastie von Baumeistern stammend, studiert Architektur und findet sich zu seiner großen Überraschung an der Seite des Stararchitekten Holm Löb in Urfustan wieder, einem postsowjetischen, zentralasiatischen Staat mit seltsamen Gebräuchen, merkwürdigen Regeln und dem autoritären Staatschef Zültan Tantal an der Spitze.
Löb scheint verschwunden zu sein, und Otto Kwant soll plötzlich selbst das neue Gebäude der Deutschen Botschaft und sogar, von Zültan Tantal persönlich beauftragt, den „Palast der Demokratie“ bauen. Aber bizarre Begegnungen, kuriose Attacken und verwirrende Sanktionen häufen sich, und Otto Kwant möchte bald nur noch eins: weg aus Urfustan. Doch so einfach ist das nicht. Auf seiner Flucht stößt Otto Kwant auf Dörfer der deutschen Minderheit in Urfustan, kapert einen Reisebus mit deutschen Rentnern und gerät immer wieder in fast ausweglose Situationen. Jochen Schmidts neuer Roman erzählt die komisch-melancholische und abenteuerliche Flucht Otto Kwants, der die Welt mit seinen Bauten eigentlich nur ein wenig schöner machen will und dabei in einer ihrer undurchschaubarsten Ecken landet.“
Erschienen im C.H.Beck Verlag.
Der Autor Jochen Schmidt liest u.a. im Juni bei kbnk Architekten aus seinem Roman vor. Hier entlang.