Der Architekturpreis des BDA Hamburg wurde vergeben und es ist ein Spektakel.
Die Präsentation fertiggestellter Bauprojekte ist so eine Sache in Hamburg. Zwar gibt es häufig eine Berichterstattung in den Medien über künftige Planungsvorhaben, doch bei der Fertigstellung scheinen Hamburger Architekturbüros zu verstummen. Das geht soweit, dass selbst in bekannten Architekturführern die Anzahl der vorgestellten Bauten im unteren einstelligen Bereich liegt (dieses Jahr sind es fünf Projekte). Woran liegt das? Ist es das norddeutsche Understatement?
Zum Glück gibt es den BDA Hamburg Architekturpreis, der alle zwei Jahre ausgelobt wird und besonders gelungene Projekte präsentiert. Insgesamt 83 Bewerbungen gingen in diesem Jahr ein, 35 Gebäude davon wurden ausgezeichnet. Die Jury vergab drei erste Preise, sechs zweite Preise und sieben dritte Preise. 19 Bauten erhielten zudem eine Würdigung. Der Schwerpunkt beim BDA Hamburg Architekturpreis liegt auch in diesem Jahr auf dem Wohnen, und doch fallen die drei Gewinner:innen des ersten Preisrangs in ihrer Typologie sehr verschieden und spektakulär aus:
Ein Ufo vor den Großmarkthallen
Ein erster Preis wurde an das britische Büro Carmody Groarke vergeben, das einen kreisrunden Baukörper vor die umgenutzte Großmarkthalle platziert hat. Der Pavillon, der dem Musicaltheater als multifunktionale Erweiterung für rund 1.700 Menschen dient, ist mal Bar, mal Kleintheater, mal Warteraum. Die Jury lobt unter anderem die Form und Materialwahl des Baukörpers. „Die wellenförmige Alu-Haut nimmt die Schwünge von Bernhard Hermkes ikonischer Architektur auf, die runde Grundform reagiert auf die prägnanten ‚Hüte‘ der Lüftungstürme.“
Die Konstruktion als Gestaltungselement
Selbst wenn die Ankunft in Hamburg eigentlich spätestens mit der Überquerung der Süderelbe beginnen sollte, wird diese erst ab der HafenCity inszeniert (soviel zum Thema „Sprung über die Elbe“). Neben dem künftigen Elbtower wird bereits die aufsehenerregende S- und U-Bahnhaltestelle Elbbrücken von gmp Architekten angefahren. Große Stahlbögen ziehen sich über die Haltestelle und nehmen in Form und Materialität Bezug auf die nahe gelegenen Neuen Elbbrücken und die Freihafenelbbrücke. „Der Doppelbahnhof Elbbrücken formuliert nun an diesem prominenten Ort endlich wieder Stolz auf eine Schönheit von Ingenieursleistungen und sagt Reisenden sein lautes Ahoi!“, so die Juror:innen über die Erstplatzierung.
Cool, wie die Schanze
Zwar gibt es in der Schanze noch hier und da einige wenige Akteur:innen, die sich der fortschreitenden Gentrifizierung in den Weg stellen, doch scheint sich der Charakter des Stadtteils in den vergangenen Jahren grundlegend geändert zu haben. Hippe Läden, ein buntes Gastronomieangebot und viele junge, coole Menschen. Das Wohn- und Geschäftshaus von LH Architekten spiegelt mit seiner rohen Betonanmutung und den edlen Holzfenstern genau jenes Publikum wider und erhält dafür als dritter Beitrag den ersten Preisrang. Die Jury lobt Fassadenstruktur und die Einbettung in den Stadtteil: „Ein schlankes „Gerüst“ aus Betonbalken und Stützen, in dem große helle Holzfenster, Loggien und im Rücksprung eine Terrasse plastische Tiefe erzeugen, verbindet sich an allen Seiten logisch mit dem Kontext.“
Viel Neubau, viel Wohnen
Etwas ruhiger und homogener wird es auf den zweiten und dritten Preisrängen. Hier zeigt sich das derzeitige Baugeschehen deutlicher.
2. Preisrang
Schulcampus Hanhoopsfeld – AllesWirdGut Architektur
Kranbauten Mitte-Altona – André Poitiers Architekten
Wohnbebauung Pergolenviertel BF2a und 2b – Klaus Theo Brenner Stadtarchitektur und SPINE Architects (BF2a) / DFZ Architekten (BF2b)
Stadthäuser Finkenau – Kraus Schönberg Architekten, DFZ Architekten, Adam Khan Architects
Wohnbebauung Klopstockhöfe – Limbrock Tubbesing Architekten
Waterworks Falkenstein – BIWERMAU Architekten
3. Preisrang
Wohnen Baakenhöfe BF81 – PFP Planungs GmbH und Prof. Jörg Friedrich
Apartmenthaus Trenknerweg – BUB architekten
Wohnen am Rhiemsweg – Tschoban Voss Architekten
Sanierung und Erweiterung der historischen Eisbahn im Park „Planten un Bloomen“ – Arge Paul Schüler Architekten, PLP Architekten + rimpf Architektur und Generalplanung
Neubau Kieler Straße – SKAI Siemer Kramer Architekten
Erweiterung Heilwig-Gymnasium – Winking Froh Architekten
Baugemeinschaft Goldbeker – kbnk Architeken
Die drei Gewinner des ersten Preisrangs sind wahrlich auffallende Bauten, die ihre Auszeichnung verdient haben. Doch sollte sich ein Architekturpreis nicht viel mehr aktuellen Diskursen widmen? (Bezahlbares) Wohnen ist nunmal das Schwerpunktthema in deutschen Großstädten. Weshalb schafft es lediglich ein mischgenutzter Bau mit nur vier Wohnungen auf den ersten Preisrang? Es scheint, als sei eine generelle Müdigkeit dem Typus Wohnen gegenüber eingekehrt. Gleichzeitig stellen sie insbesondere in diesem Jahr die wichtigsten und meistgenutzten Räume dar. Vielleicht wird sich das in den kommenden Jahren dank Corona ändern und innovative Grundrisse erhalten mehr Relevanz als eine spektakuläre Gebäudehülle.
Alle ausgezeichneten Bauten werden in Videos auf der Webseite des BDA Hamburg präsentiert. Im Frühjahr 2021 wird der Katalog mit dem Titel „BDA Hamburg Architektur Preis 2020 – Die Baujahre 2018 – 2020“ im Dölling und Garlitz Verlag erscheinen.