Architektur

Denkmal des Monats // Siedlungsbauten Kieler Straße

Das Wohnensemble in Altona-Altstadt stammt vom Architekten Friedrich R. Ostermeyer und wurde nach den Grundsätzen des „Neuen Bauens“ errichtet.

Aufmerksame Verfolger*innen des Instagram-Accounts werden gewisse Ähnlichkeiten zum Friedrich-Ebert-Hof in Bahrenfeld erkennen. Na klar, diese markante Umgang mit dem Ziegel als Gestaltungselement, vor allem im Sockelbereich der Fassade, die geraden Linien, die monumentalen Ausmaße – das ist Siedlungsbau à la Ostermeyer Mitte/Ende der 1920er Jahre. 

Große und viele Fenster sorgen für gute Belichtung der Wohnungen.© Louisa Schwope
Hauseingänge an der westlichen Seite der Kieler Straße © Louisa Schwope
Hauseingänge an der östlichen Seite der Kieler Straße © Louisa Schwope

Expressionistischer genossenschaftlicher Wohnungsbau

Die Kunsthistorikerin Silke Schwarzmann hat in ihrer Magisterarbeit über Ostermeyer über dieses Gebäude-Ensemble geschrieben: „Der hier zu sehende Baublock wurde 1924 an der Pinneberger Chaussee (heute Kieler Straße), Ecke Ophagen für die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Selbsthilfe m. b. H., Altona, begonnen und zählt zu Ostermeyers frühen Großaufträgen, dessen kubische Baukörper bereits mit einem Flachdach ausgestattet wurden. Die Bauten werden bekrönt mit expressionistisch gezackten Dachaufbauten. Die dreieckigen Dachgeschossfenster unterstreichen den expressionistischen Charakter. Das Dreiecksmotiv wiederholt sich in den Kellerfenstern und Giebelbögen, die die Schaufenster und Durchgänge im Erdgeschoss überspannen. Im Gegensatz zum sich im Hamburger Raum verbreitenden Bautypus des Wohnhofes besteht diese um 1928 fertiggestellte Wohnanlage aus mäandernden Wohnzeilen.“

Monumentale Fassade an der Kieler Straße © Louisa Schwope
Glücklicherweise haben sich die Sprossenfenster in diesem Baublock erhalten. © Louisa Schwope

Kunstvolle Zierden

Eine Besonderheit des Blocks ist sein Bauschmuck. Wenn ihr darauf achtet, werdet ihr an vielen Orten in der Stadt Werke von Richard Kuöhl finden. Kuöhl war in Hamburg einer der gefragtesten Architekturplastiker seiner Zeit. Er staffierte nicht nur Repräsentations- und Staatsbauten künstlerisch aus, sondern auch einfache Gebäude. Silke Schwarzmann fand heraus, dass zwei Prozent der Baukosten eines Neubaus für plastischen Bauschmuck vorgesehen waren. In der Straße am Ophagen gehen Bauschmuck und Gebäude ineinander über, die Rahmung des Eingangs nimmt den ebenfalls gezackten Dachvorsprung/Fries als Motiv auf. Letzterer wächst aus dem Konstruktionsmaterial Ziegel direkt aus der Fassade empor. Die Figuren rechts und links neben den Eingangstüren hat eine jüngst nach Hamburg gezogene Freundin als Elbmeerjungfrauen bezeichnet – was seht ihr in ihnen?

Bauschmuck und Bauwerk gehen ineinander über © Louisa Schwope
Formenvielfalt: Wie viele geometrische Formen lassen sich im Eingangsbereich Ophagen 25 entdecken? © Louisa Schwope
Bauschmuck von Richard Kuöhl am Haus Ophagen 23 © Louisa Schwope
Klinkerzierde: Fassadendetail © Louisa Schwope
Sockelzone an der Kieler Straße © Louisa Schwope

Zur historischen Einordnung des Architekten (Ergänzung der Redaktion)

Friedrich Ostermeyer wurde 1884 in Danzig geboren und studierte nach einer Maurerlehre von 1907 bis 1910 in Königsberg, Karlsruhe und München Architektur. 1911 übernahm er das Hamburger Architekturbüro Schaar und Hinzpeter. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Soldat. Beeinflusst von der konservativen „Heimatschutzbewegung“ baute er vornehmlich in den Elbvororten Einfamilien- und Reihenhäuser aus Backstein. Später wendete er sich dem Klein- und genossenschaftlichem Wohnungsbau zu. 1925 wurde Ostermeyer Mitglied des rechten „Stahlhelm“-Bund. In dieser Zeit baute er u.a. den Friedrich-Ebert-Hof (Ende 1920er Jahre) in Bahrenfeld, den Otto-Stolten-Hof (1928/29) in der Jarrestadt, und den Adolf-von-Elm-Hof (1926/27) in Barmbek.

Während des Nationalsozialismus arbeitete Ostermeyer weiter als Architekt u.a. im Geschosswohnungsbau für die SAGA. Nachdem der „Stahlhelm“-Bund 1934 von der SA übernommen wurde, nahm er dort das Amt des Rottenführers ein. 1937 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst und diente dort bis 1943 als Oberleutnant in der Wehrmacht, bis er schwer verwundet und aus dem Wehrdienst entlassen wurde.

1944 beteiligte er sich unter dem NS-Architekten Konstanty Gutschow mit Entwürfen am Wettbewerb „Ortsgruppe als Siedlungszelle“, in dem es u.a. um den Wiederaufbau der Stadt im Sinne des Nationalsozialismus ging. 1945 war er an der Neugründung des BDA beteiligt. 1946 füllte er einen Entnazifizierungsbogen aus und wurde Leiter des Arbeitsausschusses Stadtplanung, für den er 1947 einen Generalbebauungsplan für Hamburg erstellte. Ostermeyer profitierte von Bauaufträgen, die im Rahmen des Wiederaufbaus der Stadt erteilt wurden. 1957 wurde er zum Vorstand des BDA ernannt und wurde anschließend Ehrenmitglied.

Historiker ordnen ihn als „politisch konservativen Ex-Stahlhelmer“ ein. Zwar gehörte er nicht zur NSDAP, doch war er rechter Aktivist einer NS-Organisation (Stahlhelm-Bund).

Der Block an der Kieler Straße ist zurückgesetzt; Bäume trennen ihn von der vielbefahrenen Straße. © Louisa Schwope

DATEN:
Baujahre: 1926 und 1928
Architektur: Friedrich R. Ostermeyer
Denkmalnr.: Bauten 1926 – 16208 / Bauten 1928 – 16205
Adresse: Kieler Straße 67-89; Ophagen 21-25; Waidmannstraße 1-3; Langenfelder Straße 121-125
Google-Maps-Link: https://goo.gl/maps/AAQQPZWF11AfQd3V6

Verortung Siedlungsbauten um die Kieler Straße
Über Louisa Schwope
Auf ihrem Instagram-Account @denkmalanhamburg zeigt Louisa Schwope fotografische Begegnungen mit Hamburger Denkmälern. Unter dem Motto "Eine Einladung – ein Schaufenster – ein Spaziergang" will sie Lust machen, sich selbst auf Entdeckungstour zu begeben, Hamburgs Denkmäler mit neuem Blick zu betrachten.