Im Museum für Arbeit startete vergangene Woche die Ausstellung „Frau Architekt“
Dass selbst 2019 die meisten Architekturbüros von Männern geführt werden, ist leider gang und gäbe. Doch bleibt diese Tatsache recht verwunderlich – schließlich rühmen sich die meisten Architekturbüros mit einem fortschrittlichen Denken, das von Building Information Modeling (BIM) bis zu den modernsten Grundrissen und Fassadenmaterialien reicht. Dieses Denken scheint sich allerdings spätestens in den eigenen Strukturen zu verabschieden – Frauen, die Partner sind oder gar die Büroleitung übernehmen, findet man nur sehr selten. Dabei belegen Studien, dass mittlerweile mehr Frauen als Männer Architektur studieren. Dennoch arbeiten lediglich 30% später im Beruf. Warum gibt es so wenig Architekturbüros, die von Frauen geleitet werden? Liegt das an der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie?
Zugegeben, Überstunden gehören in dieser Branche zum Alltag – wenn Frauen dann auch noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen (fast 30%), dann ist man sich bei der Familienplanung schnell einig, welches Geschlecht kürzer tritt. Sind deutsche Architekturbüros also doch unmoderner, als sie es nach außen zeigen?
Wo sind die Frauen?
Dabei gibt es sie auch, die weiblichen Architektinnen in Führungspositionen. Doch sie sind in der öffentlichen Wahrnehmung kaum sichtbar. Ausstellungen widmen sich fast ausschließlich den männlichen Kollegen: im Deutsche Architektur Museum (DAM) galten 100 der personenbezogenen Ausstellungen Männern, lediglich vier Ausstellungen widmeten sich bisher Frauen. Selbst die Architektur Biennale wurde erst zweimal von weiblichen Teams kuratiert. Um Architektinnen sichtbarer zu machen, entschied sich das DAM 2017 die Ausstellung „Frau Architekt“ zu entwickeln, die deutsche Architektinnen seit 1880 chronologisch aufführt. Im Rahmen des Hamburger Architektur Sommers wandert nun die Ausstellung bis zum 08. September ins Museum für Arbeit in Barmbek.
Eine Reise durch die Architekturgeschichte
Portraitiert werden 22 Frauen, die in den unterschiedlichen Jahrzehnten als Architektinnen gearbeitet haben. Beginnend mit Emilie Winkelmann, die 1907 in Berlin ihr Architekturbüro eröffnete, werden in der Ausstellung größtenteils unbekannte Frauen vorgestellt. Ausnahmen bilden Architektinnen wie Margarete Schütte-Lihotzky, die mit dem Entwurf der Frankfurter Küche Zeit und Wege der berufstätigen „Neuen Frau“ verkürzte. Die Küche wurde schließlich in 10.000 Wohnungen in Frankfurt eingebaut und gilt bis heute als Vorläufer für die moderne Küche. Lotte Stam-Beese studierte am Bauhaus und trat nach unterschiedlichen Stationen in Deutschland, der Ukraine und den Niederlanden 1946 als erste Frau eine Stelle im Stadtplanungsamt in Rotterdam an. Iris Dullin-Grund leitete als eine der einflussreichsten Architektinnen in der DDR von 1970-1990 als Stadtarchitektin das Wohnbaukombinat in Neubrandenburg. Alle Portraits werden von Arbeiten, Modellen, kurzen Filminterviews und Auszügen aus der Presse ergänzt. Aus der jüngeren Zeit werden Almut Grüntuch-Ernst und Gesine Weinmiller, die an der HafenCity Universität lehrt, vorgestellt. In Hamburg wird die Ausstellung um die beiden Architektinnen Sybille Kramer und Brigitte Kraft-Wiese ergänzt.
So kraftvoll die Ausstellung zunächst erscheinen mag, so schwach wird sie in der Gegenwart: Wie bereits erwähnt, ist Architektur kein exklusiv männlicher Beruf mehr. Längst wurde die Disziplin von Frauen erobert und auch wenn es immer noch viel zu wenig Frauen gibt, die Büros leiten, so hätte man zumindest die Gelegenheit nutzen können, um zu zeigen, dass heutzutage mehr Architektinnen in dem Berufsfeld tätig sind. So bleibt jedoch der Eindruck erhalten, dass Frauen immer noch eine Ausnahme in diesem Feld bilden.
Wo bleibt die Diversität?
Die Ausstellung lässt darüber hinaus darauf schließen, dass Architektur in Deutschland ausschließlich weiß ist. Weshalb gibt es so wenig Women of Color (WOC) in deutschen Architekturbüros? Und was sagt das über das Berufsfeld generell aus? Hinweise dazu findet man in der Ausstellung leider keine.
„Frau Architekt“ ermutigt Frauen dazu, nach vorne zu treten, sichtbarer zu werden und vielleicht sogar das eigene Büro zu gründen. Wenn sich zwischenzeitlich dann noch die Gehälter in den Büros an die der männlichen Kollegen angleichen würden (Stichwort Transparenz), könnte man in Zukunft behaupten, Architektur sei tatsächlich ein fortschrittliches Berufsfeld.
//Dieser Artikel entstand im Rahmen der offiziellen Medienpartnerschaft im Hamburger Architektur Sommer//