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Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?

Workshop Architektenkammer

Hamburg 2050: Mit dem Fahrrad durch den Hafen zum Coworking Space im „Misch Molekül“

Dass Stadtentwicklung für eine kurzfristige Planung bisher nicht ausgelegt ist, erkennt man am aktuellen Status in Hamburg. Es herrscht ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Daher fixiert man sich darauf, diesen Mangel so schnell wie möglich zu beseitigen. Der Ansatz ist seiner Grundidee sicherlich auch sinnvoll, doch werden daneben zahlreiche Aspekte, die ebenso wichtig für die Entwicklung von Stadt sind, nicht weiter berücksichtigt.

„Es fehlt ein gesamtübergreifendes Zukunftsbild.“
(Karin Loosen)

Karin Loosen, Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer, ist unzufrieden mit der aktuellen Lebensraumplanung. „Wichtige gesellschaftspolitische, soziale und räumliche Themen werden ausgeklammert.“ Es gehe um die Kostenreduktion beim Bau von Wohnungen, über Konflikte im Straßenraum und die fortschreitende Digitalisierung, die letztlich auch Auswirkungen auf die Arbeit und das Wohnen haben wird. Es sei nicht möglich, hierbei Lösungen in den einzelnen Kategorien zu finden, vielmehr müsse man den gesamten Kontext betrachten, so Loosen.

Große Karte von Hamburg
Hamburg besprechen | © Martin Kunze

Aus diesem Grund hat die Architektenkammer im Rahmen eines zweitägigen Workshops im September zahlreiche Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Architektur, Stadt-, Landschafts- und Mobilitätsplanung eingeladen, um Szenarien für ein lebenswertes Hamburg im Jahr 2050 zu entwickeln. Die Teilnehmenden wurden in drei Gruppen unterteilt, die sich jeweils mit einem Thema beschäftigten.

Szenario Hamburg 2050
Szenario eines durchmischten Quartiers | © Architektenkammer

Wohnen, Arbeiten und Gärtnern in einem Gebäude

Die Gruppe Stadt ohne Arbeit setzte sich mit der Zukunft der Arbeit auseinander, die sich im Zuge der Digitalisierung enorm verändern wird. Die Trennung zwischen Wohnen und Arbeit verschwimmt immer stärker, Produktionsprozesse werden zunehmend kleinteiliger und leiser (Stichwort 3D-Drucker) und benötigen keine lauten Fabrikhallen mehr. Die Arbeitsstätten verlagern sich zunehmend in die Quartiere hinein, Nutzungen werden innerhalb von Gebäuden durchmischt. Der Trend im Bereich der Arbeit läuft auf das amerikanische Modell hinaus, in dem es nur noch wenige gut bezahlte Spezialisten geben wird. Stattdessen wird der Großteil mehrere Teilzeit-Jobs im Niedriglohnsektor besitzen. Um diesen Ansprüchen auf städtischer Ebene entgegen zu kommen, bedarf es einer Stadt der kurzen Wege. Das bedeutet, dass sich auf Quartiersebene unterschiedliche Nutzungen flexibel zusammenfügen müssen. Der Flächenverbrauch pro Person wird durch die Bereitstellung von Gemeinschaftsräumen reduziert, der Sharing-Gedanke findet sich in Zukunft auch im Wohnbereich wieder. Da Hamburg an den meisten Stellen bereits bebaut ist, liegt der Fokus in der Sanierung und Erweiterung von Bestandsbauten, die an die neuen Ansprüche der Mehrfachnutzung angepasst werden. Der öffentliche Raum widmet sich wieder verstärkt dem Fußgänger und stärkt dadurch die nachbarschaftliche Gemeinschaft im Quartier.    

Durchmischtes Quartier
Durchmischtes Quartier mit unterschiedlichen Nutzungen innerhalb der Gebäude | © Architektenkammer

Blickbeziehungen stärken

Ein wichtiger Aspekt, der von der zweiten Gruppe, die sich mit der Stadt der Weite beschäftigte, war die Balance zwischen der Be- und Entlastung im Stadtleben zu finden. Eine individuelle Entlastung stellt dabei die Weite dar. Wie lässt sich jedoch solch ein abstrakter Begriff in der Stadtplanung umsetzen? Wichtig war den Teilnehmenden des Workshops, Weite nicht mit dem Begriff der Freiflächen zu definieren. Es ging vielmehr darum, Weite in bestehenden Quartieren durch beispielsweise Blickbeziehungen oder öffentliche Dachgärten zu schaffen. Darüber hinaus wurde gefordert, den Konsumzwang an solchen Orten zu unterbinden. Weite unterliege keiner Bezahllogik und diene stattdessen als Gemeingut allen Bürgerinnen und Bürgern als öffentlicher Raum. Zudem wurde gefordert, dass alle Zugänge an die Ufer- und Wasserflächen öffentlich zugänglich würden, etwa wie die Zugänge an Elbe, den Alsterkanälen und der Bille.

Blickbeziehungen
Neue Blickbeziehungen durch den Bau von Brücken schaffen | © Architektenkammer

Selbstbestimmte Mobilität

Um neue Qualitäten der Weite in Quartieren zu fördern, bedarf es eines Paradigmenwechsels in der Mobilität. Die dritte Gruppe widmete sich der Stadt zu Fuß und prognostiziert, dass 2050 der Individualverkehr größtenteils verschwunden sein wird. Stattdessen findet man kleinteilige, durchmischte und autoarme Quartiere vor, die schlau an das ÖPNV-Netz angebunden sind. Diese Quartiere bilden den Gegenpol zu den Magistralen, die in Zukunft zwar noch befahren werden, allerdings nur noch durch Sharing-Systeme und autonome Fahrzeuge. Der ÖPNV ist deutlich ausgebaut, hinzu kommen Radschnellwege, die Pendlern eine gute Möglichkeit der Verbindung an die Randgebiete ermöglichen. Der innerstädtische Raum wird in Zukunft vom LKW-Verkehr entlastet. Stattdessen wird es dezentral platzierte Citylogistik-Hubs geben, an denen die Güter über Lastenräder, Mini-Elektro-Shuttles und Cargo Trams in das Stadtgebiet hinein verteilt werden.

Szenario an der Magistrale
Die Magistrale als vielfältig genutzter öffentlicher Raum| © Architektenkammer

Wer entscheidet darüber, ob es eine Utopie bleibt oder zur zukünftigen Realität wird?

Für die einen klingen die Ergebnisse des Workshops nach einer guten Lösung, für andere wiederum nach einer lächerlichen Spinnerei, die vielmehr an ein studentisches Projekt erinnern mag, als dass sie Realität werden könnte. Dennoch bedarf es solcher Visionen, um eine generelle Weiterentwicklung von Städten voran zu treiben. Auch wenn die Entwicklungen sehr langsam voranschreiten, lassen sich bereits erste Ansätze bei neueren Projekten finden. So werden die Funktionen innerhalb von Gebäuden ein wenig durchmischt, meist in Form einer öffentlichen Nutzung im Erdgeschoss und dem darüber liegenden Wohnen. Im Zuge von verkehrsberuhigten Quartieren soll das Konzept in der Neuen Mitte Altona vorsichtig umgesetzt werden. Die Nutzung von Dachflächen als zusätzlicher Freiraum wird zwar häufig vorgeschlagen, eine Umsetzung dessen findet bisher jedoch selten statt.

Input Architekten
Input Vorträge bei den Teams | © Martin Kunze

„Der Stadtraum gehört den Menschen“, sagt Karin Loosen. Aus diesem Grund werden die Ergebnisse des Workshops im kommenden Jahr auf einer öffentlichen Veranstaltung den Bürgerinnen und Bürgern präsentiert. Doch wie sieht es mit den politischen Entscheidungsträgern aus? Hier möchte die Architektenkammer ebenfalls in den Dialog treten. Geplant ist die Vorstellung der Ergebnisse beim Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Dorothee Stapelfeldt. Die meisten dieser Ideen benötigen reguläre Planungsprozesse, die gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt werden können. Es liegt in unserer Hand, wie unser Hamburg 2050 aussehen kann. Erste Kleinigkeiten lassen sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt anstoßen. Fangen wir heute damit an.