Kultur

The Future Is Female – die Rolle der Frau in Planungsbüros

Als die Schauspielerin Frances McDormand am vergangenen Sonntag den Oscar für die beste Hauptrolle erhielt, bat sie alle Frauen, die für den Oscar nominiert waren, aufzustehen. Zu sehen gab es dann eine schwarze, sitzende Anzugmasse, mit einigen, wenigen Frauen, die der Gewinnerin und den Kolleginnen zu klatschten. Die Filmbranche scheint einzigartig und ist mit üblichen Berufen kaum vergleichbar. Versetzen wir uns dennoch in die Situation, aber wechseln wir den Schauplatz: nicht die Oscarverleihung, sondern eine übliche Projektleiterrunde oder Ähnliches in einem Planungsbüro. Wie verhält es sich da mit der Geschlechterverteilung? Sie sähe wahrscheinlich ähnlich aus.

Vielleicht ist dies, insbesondere heute am Weltfrauentag, der ideale Zeitpunkt zu eruieren, wie es um die Gleichberechtigung von Frauen in deutschen Planungsbüros steht.

Am 18. März ist Equal Pay Day

Dass es einen Gender Pay Gap gibt, ist bereits seit vielen Jahren bekannt. Um diesen zu verdeutlichen, wurde der sogenannte Equal Pay Day eingeführt, der auf den 18. März fällt. Dieses Datum zeichnet symbolisch den Tag aus, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar eine Bezahlung erhalten. Frauen verdienen in der Regel weniger als Männer, man spricht von einem Unterschied von bis zu 21%. Dass sich diese Zahl darauf stützt, dass Frauen häufig in pädagogischen sowie Pflegeberufen arbeiten und diese nicht gut bezahlt werden, ist sicherlich ein Aspekt, der generell die Fragestellung nach dem Wert von Arbeit eröffnet. Dem soll aber an dieser Stelle nicht nachgegangen werden.

Um mehr Transparenz und somit eine Lohngerechtigkeit zu schaffen, trat zum Jahresbeginn das neue „Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz“ in Kraft. Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten müssen demnach das mittlere Gehalt von sechs Mitarbeiter*innen des anderen Geschlechts angeben, die eine ähnliche Arbeit verrichten. Ein erster Schritt in die richtige Richtung? Durchaus. Kritik gibt es dennoch: So erhalten Arbeitnehmer*innen, die in kleineren Betrieben arbeiten, keine Auskunft über die Gehälter der Kolleg*innen. Ein Aspekt, der auf viele Architektur-, Landschaftsarchitektur-, Design- und Stadtplanungsbüros zutrifft, da die meisten weniger als 200 Mitarbeiter*innen beschäftigen. Das Gesetz greift in diesem Fall nicht in der Planungsbranche. Das Spekulieren, wieviel die Kolleg*innen verdienen, setzt sich weiterhin fort.

Was verdienst Du so?

Doch existieren überhaupt Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, oder verdienen alle gleich viel? Laut statistischem Bundesamt gibt es in der Planungsbranche ein Gefälle von rund 27%. So erhalten Männer in Vollzeit im Durchschnitt ein Monatsgehalt von 4.711 € brutto, während Frauen lediglich 3.450 € brutto verdienen.

Bruttodurchschnittsverdienst Vollzeitbeschäftigung nach Leistungsgruppen* | entnommen aus der Gruppe M711 Architektur-, Ingenieurbüro, in Deutschland, 3. Quartal 2017 | © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018

Darüber hinaus zeigt die Statistik, dass es immer noch eine klassische Rollenverteilung gibt: Während 62% der Männer eine Vollzeitstelle besitzen, arbeiten 83% der Frauen in Teilzeit. Eine Gleichberechtigung hat die Branche also noch nicht erreicht. Das wirft die Frage auf, ob Frauen prinzipiell weniger arbeiten wollen. Oder handelt es sich dabei um einen generellen Missstand der deutschen Arbeitskultur, die eine zusätzliche Familienkoordinierung einfach nicht zulässt.

Verteilung Vollzeit / Teilzeit in Deutschland, 3. Quartal 2017 | © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018

Woher kommt also diese Diskrepanz? Sobald es um die Familienplanung geht, muss man sich gleichzeitig mit der Finanzierung dieser Gesamtsituation beschäftigen. Das Leben, insbesondere in Großstädten, ist teuer. Lebenshaltungskosten steigen stetig weiter. Auch wenn das Private immer mehr an Priorität gewinnt und das Verbringen von Zeit mit Freunden oder der Familie mehr Erfüllung bringen mag als der Job: Man kann es sich einfach nicht leisten, weniger zu arbeiten. Wer soll schließlich die Miete bezahlen? Aus diesem Grund entscheiden sich viele im Zusammenhang mit der Familienplanung dafür, dass zumindest der mehrverdienende Partner weiterhin Vollzeit arbeitet. Das ist in der Regel der Mann.

Zu schlecht verhandelt?

Häufig hört man, dass es doch bereits Gleichberechtigung innerhalb von Unternehmen gäbe, Frauen würden einfach nur nicht gut verhandeln. Man müsse eben auch mal auf den Tisch hauen und die eigenen Interessen durchsetzen. Sich also wie ein Mann verhalten. Ist das wirklich der richtige Weg? Hildegard Knef formulierte einst: „Brüllt ein Mann, ist er dynamisch, brüllt eine Frau, ist sie hysterisch.“ Es sind nun mal die Stereotypen, die in den Köpfen verankert sind. Ein Loslösen davon scheint selbst heute schwer.

The future is female

Betrachtet man nämlich die Geschlechterverteilung der Studierenden von heute im Vergleich zu der von vor zehn Jahren, wird deutlich, dass sich immer mehr Frauen für Studiengänge wie Architektur und Innenarchitektur immatrikulieren. Lediglich im Bereich der Landschafts- und Raumplanung ist die Verteilung relativ ausgeglichen.

Verteilung der Geschlechter in Planungsstudiengängen | © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018

Was bedeutet das für die Zukunft in Büros, wenn immer mehr Frauen nachrücken, die Arbeitsbedingungen sich jedoch nicht ändern? Eine Studie der Bundesarchitektenkammer aus dem Jahr 2014 zeigt, dass die Zahl der weiblichen Arbeitnehmerinnen in Architekturbüros ab 35 Jahren deutlich sinkt. Man kann davon ausgehen, dass dies mit der Familiengründung und der damit verbundenen Auszeit zusammenhängt. Gleichzeitig ist das der ideale Zeitpunkt, zu dem Männer sowie Frauen ausreichend Arbeitserfahrung gesammelt haben, um die eigene Karriere weiter voran zu treiben. Kehrt die Frau jedoch nach der Elternzeit in den Beruf zurück, passiert das meist in Teilzeitform. Das führt dazu, dass sich deutlich weniger Frauen in Führungspositionen befinden als Männer.

Prozentuale Verteilung der Beschäftigten innerhalb der Leistungsgruppen* in Unternehmen | entnommen aus der Gruppe M711 Architektur-, Ingenieurbüro in Deutschland, 3.Quartal 2017 | © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018

Doch funktioniert die Rolle in einer Führungsposition auch als Teilzeitkraft? Und ist das überhaupt gewollt? Es wird schwer. Dass in Planungsbüros regelmäßig Überstunden geleistet werden, gilt quasi als selbstverständlich. Was man bereits im Studium erleben durfte, setzt sich im Berufsleben fort. Bauherr*innen äußern kurz vor Abgabe von Anträgen weitere Änderungswünsche, Deadlines werden nach vorne verschoben, das Arbeitspensum ist generell sehr hoch. Dass das Kind dann noch pünktlich um 16 Uhr aus der Kita abgeholt werden muss, erschwert die persönliche Organisation. Viele Büros bieten zwar inzwischen Gleitzeit an, doch ist eine 40(+) Stunden Woche tatsächlich noch ein zeitgemäßes Modell?

Wer eine maximale Flexibilisierung der eigenen Arbeitszeit möchte, muss in eine Selbstständigkeit treten. So kann man vormittags in Ruhe arbeiten, während das Kind in der Kita spielt. Gegen 16 Uhr wird es abgeholt, man verbringt den Nachmittag miteinander, bevor man sich abends, nachdem das Kind ins Bett gebracht wurde, für einige Stunden nochmal an das Projekt setzt. Das klingt nach einer idealen Zeitaufteilung. Warum machen sich dann aber so wenig Frauen selbstständig? Laut Statistik der Bundesarchitektenkammer streben lediglich 3% eine Selbstständigkeit gezielt an. Hat sich dieses Modell noch nicht durchgesetzt? Oder ist das finanzielle Risiko zu hoch, als dass man sich als Freiberuflerin auf dem Markt etablieren möchte. Zugegeben, in dieser Branche bedarf es eines langen Atems, um Fuß zu fassen.

46% der Frauen wollen daher diesen Weg nicht einschlagen. Somit bedarf es einer dringenden Anpassung der Arbeitskultur in Planungsbüros, da der Markt sonst qualifizierte, erfahrene Mitarbeiterinnen verlieren wird, die gute Arbeit leisten und das Unternehmen voranbringen.

Es geht um die Anpassung der Verträge von befristet auf unbefristet. Es geht um die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und –orte (Stichwort home office). Es geht um das Anheben der Gehälter auf ein gleiches Niveau. Es geht darum, einen attraktiven Wiedereinstieg nach der Elternzeit zu gewährleisten. Es geht aber auch darum, Vätern längere Elternzeiten zu gewähren. Es geht um ein verbessertes Betreuungsangebot. Es geht um mehr Transparenz innerhalb der Bürostrukturen. Und es geht um ein Ablegen von Stereotypen. Bei allen Geschlechtern.

Zeiten ändern sich

Wir leben im Jahr 2018, haben uns in der Forschung und Technologie so unglaublich weit entwickelt, hadern aber damit, eine verstaubte Arbeitskultur, die an überholten Rollenverteilungen festhält, weiter zu entwickeln. Auch wenn die Zahlen momentan noch nicht dafür sprechen – es tut sich was. Nachdem die Hierarchien in Unternehmen immer flacher werden, ändert sich damit auch der Umgang zwischen den Kolleg*innen. Zudem sprechen wir fortwährend mehr über die Probleme und Missstände. Somit schaffen wir nach und nach eine andere Wahrnehmung auf die Thematik, verändern die Perspektive und hinterfragen bisherige Rollenbilder. Die zunehmende Emanzipation bewirkt insbesondere bei der jüngeren Generation eine immer größere Selbstverständlichkeit, selbstbestimmte Entscheidungen unabhängig treffen zu können. Je häufiger wir sehen, dass es tatsächlich klappen kann, auch im gebärfähigen Alter eine Führungsposition einzunehmen, desto selbstverständlicher werden diese Tatsachen. Es gibt sie bereits: Erfolgreiche Frauen, die seit Jahrzehnten mit und ohne Kinder Beachtliches im Beruf leisten. Es dürfen gerne mehr werden.

An the Pritzker Price goes to… Balkrishna Doshi – a male architect.

Um abzuschließen, möchte ich nochmal an die Rede von Frances McDormand beim diesjährigen Oscar anknüpfen und Ihnen ihre Worte mit auf den Weg geben: Hören Sie sich einfach die Ideen und Geschichten Ihrer Mitarbeiterinnen und Kolleginnen an. Sie sind gut.

 

*Eine Erläuterung zu den Leistungsgruppen finden Sie hier.