Kolumne Kultur

Kolumne // Von Europäischen Aalen in Großstädten und Plastikhäusern…

Wussten Sie, dass Europäische Aale im Tierreich den besten Geruchssinn haben? Laut GEO können sie einen Tropfen Parfum in der dreifachen Menge Wasser des Bodensees wahrnehmen. Das ist ziemlich imposant und im gleichen Atemzug stelle ich mir die Frage: Riecht es im Wasser eigentlich intensiver als in unseren Großstädten? Würden Aale nämlich in Großstädten leben, wären sie wahrscheinlich seit vielen Jahren bereits ausgestorben. Denn selbst ich, zurzeit sogar leicht verschnupft, habe hin und wieder das Gefühl, ich müsste mir einen frischen Blumenstrauß unter die Nase binden, während ich auf den Bus warte.

Es stinkt in Hamburg. Und das gewaltig. Man könnte zwar meinen, dass durch die zunehmende Elektrifizierung es auch weniger Schadstoffe geben müsste. Pustekuchen. Dem ist nicht so, was man insgeheim eigentlich schon ahnte und nun in den letzten Wochen und Monaten auch erfahren durfte. Unsere Städte sind verpestet. Von Auto-, Schiffs-, Flugzeugabgasen und Lärm. Und es bleibt so. Wie reagiert man? Hierzu gibt es unterschiedliche Herangehensweisen in deutschen Städten: Die einen ignorieren diese Fakten und machen einfach so weiter (München). Andere haben vor, Gebäude abzureißen, damit Abgase besser entweichen können (Essen). Andere wiederum werden vereinzelte Straßenabschnitte für bestimmte Fahrzeugtypen sperren (Hamburg). Sind das tatsächlich die richtigen Antworten auf eine Problematik, die viel komplexer ist? Oder geht es nicht vielmehr um eine neue Gestaltungsform und Nutzung von Städten?

Wir leben nun mal immer häufiger in Großstädten, benötigen Gebäude sowie Infrastrukturen und gleichzeitig wachsen unsere Ansprüche an eine lebenswerte Stadt mit. Denn wir wollen es uns gut gehen lassen: Wir treiben mehr Sport, essen und leben generell gesünder. Und das bitte auch in einer gesunden Stadt, die diesem Lebensstil entspricht. Muss dann so eine Stadt nicht atmen können?

Die Jahreszeit trägt sicherlich mit der Hamburger Wolkendecke dazu bei, aber momentan wirkt Hamburg eher so, als würden wir permanent Kette rauchend, uns jeglichen Austauschs verweigern und in unserem Auto, dem Hochsicherheitstrakt der Mobilität, möglichst schnell von A nach B eilen. Wollen wir das wirklich?

Wie steht es denn um unseren persönlichen Beitrag, den wir für das Gemeinwohl leisten können? Wenn es die Politik schon nicht auf die Reihe kriegt, an entsprechenden Reglern zu drehen, könnten zumindest wir als Stadtgesellschaft etwas Verantwortung übernehmen, den Wagen hin und wieder und doch am liebsten immer stehen lassen und mit dem Fahrrad oder Bus zur Arbeit fahren. Das ist auf Dauer günstiger, schneller und macht sogar fit.

Mir bleibt vorerst nichts anderes übrig, als weiterhin die Nase im Wollschal zu verstecken und mir eine Blumenwiese statt der Blechlawinen vorzustellen. Oder ein Leben unter Wasser. Da stinkt es hypothetisch betrachtet zumindest nicht mehr so und es ist auch ruhiger. Gut, man stünde dann vor der neuen Herausforderung, mit den ganzen Kunststoffen umgehen zu müssen, aber davon gibt es glücklicherweise so viel, dass man eine ganze Stadt draus bauen könnte. Sowas nennt sich dann übrigens Upcycling.

2 Kommentare Neuen Kommentar hinzufügen

  1. patrislav sagt:

    Wenn im Zuge der Abgasaffäre jetzt schließlich Gebäude abgerissen werden, damit der heilige Autoverkehr weiter fließen kann, dann sieht es fast so aus, als wäre Le Corbusier’s Vision fast 100 Jahre später endlich Realität geworden.

    „Wohin eilen die Automobile? Ins Zentrum! Es gib keine befahrbare Fläche im Zentrum. Man muss sie schaffen. Mann muss das Zentrum abreißen.“ (Le Corbusier: Städtebau, 1925, S. 101)

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