Kultur

Hamburg geht baden

//Anzeige// Was bedeutet es, wenn man mitten in der Stadt baden gehen kann? Darüber haben Barbara Vogt, Jan Edler und Hella Kemper im Rahmen der Podiumsdiskussion „Hamburg geht baden“ gesprochen.

Dieter Thal steht vor der Karte, die den nördlichen Abschnitt der Elbinsel zeigt. Er deutet auf den Grasbrook: „Hier am Holthusenkai war der Schumacher Werder. Da konnte man zwischen den 1850er Jahren und 1913 schwimmen. Dann wurde das Bad auf die Kaltehofe-Insel verlegt.“ Sein Finger fährt weiter entlang des Elbufers nach Osten auf die Veddel. Neben der Badestelle am Grasbrook gab es zudem weitere geduldete Badestellen wie die Koopswiese, Adlerwiese sowie den Peutehafen. Aber auch im südlichen Bereich der Veddel, wie im Spreehafen oder Müggenburger Zollhafen war das Schwimmen möglich. Mit der Industrialisierung wurde das Baden verboten – zu sehr waren die Flüsse verschmutzt, als dass man diese hätte weiter zum Schwimmen nutzen können. Wie sieht es heute damit aus? Weshalb wird in der Elbe und Bille nicht gebadet? 

Holthusenkai um 1911 | © Dieter Thal
Holthusenkai um 1911 | © Dieter Thal

Hamburgs Wasserflächen rücken zunehmend in die Aufmerksamkeit der Stadtgesellschaft. Die Veddel beispielsweise, wird an zwei Seiten von Wasser umgeben. Richtige Zugänge gibt es so gut wie keine. Im Rahmen der Aktionswoche lud der BDA Hamburg die drei Expertïnnen Barbara Vogt, Hella Kemper und Jan Edler ein, um aus ihrer Sicht über die Möglichkeiten der Wassernutzung in Städten zu berichten.

Koopswiese um 1935 | © Dieter Thal
Koopswiese um 1935 | © Dieter Thal

Skandinavien badet bereits

Barbara Vogt, Head of Business Development Germany bei white arkitekter, stellte einige Beispiele der Wassernutzung in der Umgebung um Kopenhagen vor. Früher durfte man aufgrund der schlechten Wasserqualität, ähnlich wie in Hamburg, im Kopenhagener Hafen nicht schwimmen – heute gibt es diesbezüglich tägliche Kontrollen. Bis auf Tage nach starken Regenfällen ist die Wasserqualität so gut, dass man das die Gewässer im Hafen nutzen kann. Die dänische Hauptstadt besitzt mittlerweile fünf Badezonen und drei Hafenbäder: Søndre Refshalebassin, Islands Brygge, Fisketorvet, Havnebad Sluseholmen, Svanemølle Strand und Kastrup Sødbad, das von den white arkitekter entwickelt wurde.  

Kastrup Sødbad © Åke E:son Lindman
Kastrup Sødbad © Åke E:son Lindman

Das Seebad Kastrup liegt circa fünf Kilometer südöstlich des Kopenhagener Zentrums auf der Øresund Seite und wurde 2005 fertiggestellt. Das Schwimmen im Seebad ist recht unkompliziert, es gibt weder Gezeiten noch starke Strömungen. Daher entschied man sich bei der Konstruktion für Pfeiler, die in den Sandboden gerammt wurden. Die gesamte Konstruktion wurde aus besonders widerstandsfähigem Tropenholz gefertigt. Neben Umkleideräumen und Toiletten verfügt das Seebad über ein Büro für den/die Bademeisterïn. Gewerbeflächen gibt es nicht, die Besucherïnnen bringen ihr eigenes Essen mit. Das Seebad wird das gesamte Jahr genutzt und ist kostenfrei. 

Mit dem Flussbad kommt die Durchmischung in einen Stadtteil

Einen anderen Ansatz verfolgen die Planer*innen des Flussbads Berlin. Jan Edler, Gründungsmitglied der Initiative möchte den Spreeabschnitt zwischen der Museums- und Fischerinsel zu einem Flussbad reaktivieren.  

2.Berliner Flussbad Pokal, Wendeboje | © Axel Schmidt
2.Berliner Flussbad Pokal, Wendeboje | © Axel Schmidt

Das Flussbad gliedert sich in drei Abschnitte mit unterschiedlicher Nutzung: den Schwimmbereich entlang der Museumsinsel, den natürlichen Wasserfilter zwischen Gertraudenbrücke und Auswärtigem Amt und den naturnahen Flusslauf an der Fischerinsel.

Der Schwimmabschnitt verfügt über eine Länge von 835 Metern und soll lediglich über Toiletten, Kaltwasserduschen, Umkleidebereiche und Schließfächer verfügen. Eine Beaufsichtigung des Badebetriebs ist nicht vorgesehen.

Eine Herausforderung stellt die Mischwasserkanalisation dar, die unter der historischen Innenstadt verläuft. Bei Starkregenereignissen ist die Folge, dass das Kanalnetz überlastet ist und das ungeklärte Mischabwasser in die Spree geleitet wird. Um dennoch dauerhaft und gefahrlos in dem Abschnitt baden zu können, wird im mittleren Abschnitt mit einem natürlichen Filter das Wasser gereinigt.

Schnitt durch den Pflanzen-KiesFilter (schematische Darstellung | © realities:united/Flussbad Berlin e.V.
Schnitt durch den Pflanzen-KiesFilter (schematische Darstellung | © realities:united/Flussbad Berlin e.V.

Mit dem Flussbad gäbe es für circa 430.000 Anwohnerïnnen die Möglichkeit ein natürliches Gewässer mitten in der Stadt kostenfrei zu nutzen. Damit könnte die Anreise an die Badeseen in und um Berlin entfallen und das Verkehrsaufkommen reduziert werden. Zudem würde der Raum um die Museumsinsel stärker durchmischt – aktuell besuchen fast ausschließlich Touristengruppen den Ort.

Perspektive James-Simon-Galerie | © 2016 realities:united/Flussbad Berlin e.V.
Perspektive James-Simon-Galerie | © 2016 realities:united/Flussbad Berlin e.V.

Auch wenn das Flussbad mittlerweile sehr greifbar erscheint, so benötigt man für solch ein Projekt einen langen Atem. Seit 1997 gibt es die Idee bereits, seit 2011 werden konkrete Maßnahmen getätigt und vielleicht gibt es noch in diesem Jahr eine Entscheidung zugunsten des Flussbads. 

Ab in die Elbe!

Dass das Baden in der Elbe prinzipiell möglich ist, beweist die Journalistin und Autorin Hella Kemper fast jeden Tag aufs Neue. Seit vielen Jahren schwimmt sie im westlichen Abschnitt der Elbe auf Höhe von Blankenese. Zwei Bücher zum Schwimmen in der Elbe sind bereits erschienen. Und doch ist es für die meisten ein ungewöhnliches Bild, Personen in der Elbe schwimmen zu sehen. Viele Hamburgerïnnen sind heute noch erstaunt über die Elbschwimmerin und stellen Fragen wie beispielsweise nach dem Geschmack der Elbe.  

Die Expertïnnen im Gespräch
Die Expertïnnen im Gespräch

Kann man in denn in der Elbe schwimmen?

In der Elbe spielen der Tidehub und die Strömungen eine erhebliche Rolle. Durch den Tidehub ist das Schwimmen nur bei Hochwasser möglich. Für solche Herausforderungen könnte man Pontons bzw. geschlossene Konstruktionen verwenden, so Barbara Vogt. Die Pontons bewegen sich mit dem Wasser nach oben und unten, die Becken schützen vor der Strömung. 

Antje Stokmann, Professorin für Architektur und Landschaft an der HafenCity Universität, forscht seit einigen Jahren zur Wassernutzung in Hamburg. „Die Leute suchen das Wasser.“ Daher müssen auch mehr öffentliche Zugänge geschaffen werden. Insbesondere in den ruhigeren Bille-Kanälen in Hammerbrook gibt es zahlreiche Möglichkeiten einer kostenfreien Nutzung der Wasserflächen. Dem gegenüber steht jedoch eine zunehmende Privatisierung der Flächen durch Hausboote. Dabei stellt sich die Frage, ob der Wasserraum nicht vielmehr ein Gemeingut bleiben soll?

Die Beispiele aus Berlin und Kopenhagen machen Lust auf mehr. Möglicherweise wird es im Zuge der Entwicklung des Grasbrooks im nördlichen Teil der Elbinsel ein modernes Schumacher Werder geben, das kostenfrei nutzbar ist. Damit könnten die Hamburgerïnnen, ähnlich wie Dieter Thal vor vielen Jahrzehnten, wieder in der Elbe schwimmen. Und keine Sorge, es ist nicht übel. Die Elbe hat laut Hella Kemper nämlich kaum Geschmack.