Oberbaudirektor Franz-Josef Höing gibt einen Ausblick auf Hamburger Stadtentwicklungsprojekte beim Hamburger Städtebauseminar
Neues Jahr, neuer Oberbaudirektor, neue Planung? Der Titel der Veranstaltung „Gute Quartiere brauchen gute Prozesse“ klingt nach Umbruch und bleibt dennoch vage: Was macht ein gutes Quartier aus? Handelt es sich dabei um die bauliche Qualität, städtebauliche Anordnung oder den Grad der Durchmischung? Wie verläuft ein guter Prozess? Sind nach Fertigstellung und Bezug alle glücklich – vom Anwohner, über den Planer bis hin zum Bauherren?
Vielleicht war es der Titel, vielleicht war es aber auch die Gelegenheit die Projekte vom neuen Oberbaudirektor Franz-Josef Höing vorgestellt zu bekommen. Es zog in jedem Fall eine Vielzahl an Interessierten am Dienstagabend ins Kesselhaus in der HafenCity zum Auftakt des Hamburger Städtebauseminars. Dieses lädt jährlich Experten aus der Region ein, um sich zu aktuellen Themen des Städtebaus auszutauschen und darüber zu informieren. Dieses Jahr widmet sich das Städtebauseminar dem Wachstum von Hamburg, ein Thema, das auch in anderen Großstädten präsent ist. Der zähe Titel „Wachstumsschmerzen“ impliziert, dass es dabei anscheinend nicht immer rund läuft.
In Hamburg tut sich Einiges
Doch um die Aspekte dieser zähen Entwicklungen besser verstehen zu können, bedarf es zunächst eines Überblicks der Projekte, mit denen man in Hamburg künftig den Schmerz aus dem Wachstum entfernen möchte: Denkt man an Stadtentwicklung, fällt hierzu die HafenCity ein, die sich langsam aber sicher ihrem Abschluss (mit oder ohne Hochhaus) nähert. Im Anschluss daran beginnen momentan die Planungen für den Kleinen Grasbrook und somit eine Verkleinerung der Sprungweite über die Elbe nach Wilhelmsburg, wo erst kürzlich im nördlichen Teil des Spreehafens der städtebauliche Wettbewerb entschieden wurde. Anknüpfend an den Spreehafen beginnt das neue Elbinselquartier, das sich bereits in der vertieften Planung befindet. Blickt man weiter nach Osten, gelangt man weiter zur großmaßstäblichen Neuplanung des Stadtteils Oberbillwerder. Im westlichen Teil Hamburgs schreitet die Neue Mitte Altona in großen Schritten ihrer Fertigstellung entgegen. Neu hinzu kommen das nahe gelegene Holstenquartier und der neue Fernbahnhof am Diebsteich. Etwas weiter westlich wird aktuell die Wohnbebauung am Volkspark geplant. Im unmittelbaren Umfeld startet bald der Bau des Altonaer Teils des A7-Deckels, ein Riesenprojekt, das bis 2027 abgeschlossen werden soll.
Hinzu kommen der Ausbau der U-Bahn, die Neuplanung der Köhlbrandbrücke aber auch die Sanierung von bestehenden Quartieren und Gebäuden, ohne sich der aktuell gern gewählten Lösung des Abrisses zu bedienen. Vielleicht wird man unter dem neuen Oberbaudirektor das Denkmalschutzamt wieder etwas ernster nehmen. Wir können nur hoffen.
Wie kann das Bauen rationalisiert und gleichzeitig kostengünstig sein?
Zum Thema Wohnen hielt sich Höing kurz, ließ jedoch den Kostenaspekt nicht aus: Es muss kostengünstig bleiben, um dementsprechende Mietpreise zu schaffen. Dass es dafür auf modulare Lösungen hinausläuft, ist für Höing in Ordnung: „Wir brauchen keine Unikate, die Qualität muss gut sein.“ Man kann nur hoffen, dass es bei dieser Qualität nicht nur um das gewählte Baumaterial geht, sondern auch um die Konzeption der Grundrisse und Räume, die sich aus dem Quartier ergeben und Bezug darauf nehmen.
Dynamische Prozesse
Oberbaudirektor Höing betonte immerzu, dass man die Entwicklungen im größeren Maßstäben betrachten müsse, ohne dabei in die reine Vogelperspektive zu gleiten. Dass die Prozesse auch etwas längere Zeit in Anspruch nehmen können und dabei nicht geradlinig verlaufen würden, sei durchaus möglich und in Ordnung. Ein experimenteller Charakter solle künftig mitschwingen, aber auch die Möglichkeit, jederzeit in den Verlauf einzugreifen, um Dinge rechtzeitig den notwendigen Änderungen anzupassen, sei gegeben.
Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe
Um den Besuchern seine bisherige Arbeitsweise näher zu bringen, zeigte Höing im zweiten Teil seines Vortrags eine Auswahl von Beispielen aus Köln. So setzte er sich mit der Ertüchtigung von Infrastrukturen auseinander aber auch mit der Einbindung der Bevölkerung in Planungsprozesse. Höing sieht sich als Macher und verzichtet dabei auf langwierige wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Thematik. Stattdessen begibt er sich direkt an den Ort und schafft einen Dialog mit den Anwohnern, die er als lokale Experten betrachtet. Eine Begegnung mit Respekt und auf Augenhöhe sind das A und O für die weitere Planung. Dies hat gleichzeitig zur Folge, dass der Planer ernst genommen wird, so der Oberbaudirektor. Ein weiterer, wichtiger Punkt sei der Erhalt bzw. die Schaffung von Freiflächen, die durch die zunehmende Nachverdichtung zu schwinden scheinen. Wie dieser Spagat gelingt, bleibt spannend.
Höing hielt sich in seinen Ausführungen sehr vage, betonte immer wieder, dass er erst seit rund acht Wochen im Amt sei und sich aktuell einen Überblick zu den Themen im Detail verschaffe. Auch wenn er eine Vielzahl an Projekten seines Vorgängers übernimmt, sind wir gespannt, wie sich diese weiterentwickeln werden. Insbesondere der Aspekt des kurzfristigen Eingreifens in laufende Prozesse kann positive Impulse setzen. Ist dann das Quartier gut?