Der Winter naht und mit der Zeitumstellung haben uns auch die letzten sommerlichen Temperaturen verlassen. Das ist auch gut so, denn zum Lesen komme ich persönlich deutlich besser, wenn es draußen regnet und stürmt und in Hamburg stehen die Chancen dieses, wie eigentlich auch jedes Jahr, recht gut.
Denn so wie sich Gehwege und Parks momentan vor dem Laubregen kaum noch retten können, so ist eine Flut an spannenden Büchern in den vergangenen Monaten erschienen – da weiß man wirklich nicht, mit welchem man am besten anfangen soll. Ich muss an dieser Stelle zugeben: Bei einer Veröffentlichung bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie tatsächlich lesenswert ist – das dürfen Sie am Ende entscheiden. Begeben wir uns also auf eine schöne Reise der DA.-Favoriten für den Herbst 2018.
Helmut Höge – Pollerforschung
Als ich das erste Mal den Titel las, dachte ich mir: Was für ein unterschätztes und eigenartiges Stadtmobiliar, das gleichzeitig so viel Macht im städtischen Raum besitzt! Über ästhetische Ansprüche möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht beginnen nachzudenken, denn ob als riesen Legoklotz vor Weihnachtsmärkten oder als klappbares hochskaliertes Streichholz in rot-weiß – Poller werden von Fußgängern und Radfahrern meist einfach nur übersehen. Umso interessanter klingt die Publikation von Helmut Höge zum neuen städtischen Sicherheitsverständnis.
„Die überarbeitete Neuauflage der „Pollerforschung“ versammelt Texte H. Höges aus den Jahren 1989 bis 2009. In seinen aufmerksamen Stadtbeobachtungen erscheinen die Tücken eines im Alltag leicht zu übersehenden Objekts. Mit theoretischem Weitblick ermisst Höge die Wirkmächtigkeit des Stadtmobiliars, erkundet seine psychogeographische Bedeutung und folgt den idiosynkratrischen Aneignungen des Pollers durch die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt. Wenn heute Innenstädte im Namen der Terrorabwehr abgepollert und in Hochsicherheitszonen verwandelt werden, erweist sich Helmut Höges Untersuchung einer politischen Ökonomie der Straßenbegrenzungspfähle und anderer Formen des Stadtmobiliars als aufschlussreicher Beitrag zum Verständnis gegenwärtiger Stadtentwicklung.“
Erschienen im Adocs Verlag
Richard Sennett – Die offene Stadt. Eine Ethik des Bauens und Bewohnens
Eigentlich schätze ich die Texte von Richard Sennett und gleichzeitig bin ich mir bei dieser Veröffentlichung nicht sicher, ob dabei was Gutes rausgekommen ist. Liest man nämlich die bisherigen Rezensionen im Netz, wird >>Die offene Stadt<< mehr kritisiert als gelobt. Vielleicht muss man sich aber auch einfach selbst ein Bild davon machen – das Thema ist schließlich hochbrisant und aktuell.
„Im Jahr 2050 werden zwei Drittel aller Menschen in Städten leben – wie können Bewohner mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen eine friedliche Koexistenz führen? Richard Sennett stellt die Frage nach der Beziehung zwischen urbanem Planen und konkretem Leben: Wie hat sie sich historisch gewandelt? Wie kann eine offene Stadt aussehen, die geprägt ist von Vielfalt und Veränderung – und in der Bewohner Fähigkeiten zum Umgang mit Unsicherheiten entwickeln? Richard Sennett zeigt, warum wir eine Urbanistik brauchen, die eine enge Zusammenarbeit von Planern und Bewohnern einschließt und voraussetzt – und dass eine Stadt voller Widersprüche urbanes Erleben nicht einengt, sondern bereichert.“
Erschienen im Hanser Literaturverlag
Peter Jakubowski, Robert Kaltenbrunner – Die Stadt der Zukunft. Wie wir leben wollen
Schön, dass sich die Thematik um die Zukunft der Stadt immer häufiger in der nicht-wissenschaftlichen Literatur wiederfindet. Schließlich hat sie auch ihre Daseinsberechtigung, da uns die Aspekte ums Wohnen, Bauen und Gemeinschaft mehr denn je betreffen. Nun haben sich die Autoren Peter Jakubowski und Robert Kaltenbrunner, beides Mitarbeiter im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), zusammengesetzt, um den Leserinnen und Lesern einen Ausblick in die Stadt von Morgen zu geben.
„Städte zeigen unsere Sehnsüchte und unsere Zerrissenheit wie durch ein Brennglas. Auf engstem Raum treffen sich Menschen und Ideen, existieren die mannigfachsten Lebensstile nebeneinander. Jung oder alt, modern oder traditionell – die Stadt ist ein soziokulturelles System, in dem sich die Themen unserer Zeit spiegeln: Von Gentrifizierung, Migration, Verödung der Innenstädte bis zum urban gardening, weltweitem Bauboom und den Auswirkungen des globalen Klimawandels. Das Stadtleben motiviert, es polarisiert aber auch. Wie sieht sie aus, die Stadt von Morgen? Wie werden wir in und mit ihr leben? Das Autorenduo zeichnet ein spannendes Mosaik der Stadt und ruft dazu auf, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.“
Erschienen im Aufbau Verlag
Sandra Hofmeister – Wohnunsgbau. Kostengünstige Modelle für die Zukunft
Mit der Zukunft der Stadt geht natürlich auch der Wohnungsbau einher. Wie schafft man bezahlbaren Wohnraum, ohne dabei auf Qualität zu verzichten?
„Der DETAIL-Band >>Wohnungsbau. Kostengünstige Modelle für die Zukunft<< dokumentiert fünfzehn herausragende aktuelle Wohnungsbauten in Europa, die sich durch ihre Qualität auszeichnen und gleichzeitig mit reduzierten Baukosten realisiert werden konnten. Konstruktive Lösungen, die bedachte Materialwahl, spezifische Bauprozesse und konkrete Planungsvoraussetzungen trugen jeweils zu diesem Ergebnis bei. Die aktuellen Projekte in Paris, Berlin, London oder Zwolle werden ausführlich mit Fotos, Texten, Grundrissen und Detailzeichnungen im Maßstab 1:20 dokumentiert und geben so Einblicke in die unterschiedlichsten konkreten Maßnahmen zur Reduktion der Kosten. Die Finanzierung und entsprechende Förderinstrumente, die Reduktion der Baukosten und die schnelle Umsetzbarkeit von Wohnungsbauten sind maßgebliche Herausforderungen für Architekten und Bauherren.“
Erscheint im November bei Edition DETAIL
Hamburgische Architektenkammer – Architektur in Hamburg / Jahrbuch 2018/2019
Die Buchreihe „Architektur in Hamburg“ widmet sich aktuellen Bauten und Themen in Hamburg. In der 30. Ausgabe werden neben allgemeinen Themen u.a. das Grandhotel The Fontenay, die Kindertagesstätte St. Bonifatius in Eimsbüttel, die Neugestaltung der Ortsmitte Finkenwerder, die Ehemalige Frauenklinik Finkenau und viele weitere Projekte vorgestellt. Ein Must-Have für begeisterte Architekturliebhaber, die nicht genug von der Hansestadt bekommen können.
„Die Autoren widmen sich u.a. der Stadtentwicklung und dem Wohnungsbau, dem Einzelhandel und gefährdeten Bauten in der Stadt. Weitere Themen sind die Umformung der Spiegel-Insel zu »Hamburg Heights« und das langsame Verschwinden der Gartenstadt Steenkampsiedlung in Bahrenfeld. Im aktuellen Porträt werden dieses Jahr die Architekten Stölken + Schmidt sowie im historischen Porträt Fritz Trautwein (1911–1993) vorgestellt, der u.a. die Grindelhochhäuser, den Fernsehturm sowie die U-Bahn-Stationen Jungfernstieg und Landungsbrücken entworfen hat.“
Erschienen im Junius Verlag
Heidi Kirk, Nicole Keller, Oliver Schumacher, Falko Droßmann – Der City-Hof – An- und Einblicke
Auch wenn der City-Hof abgerissen werden sollte – es bleibt zumindest eine mannigfaltige Dokumentation über die Diskussion um den Denkmalschutz und den Umgang mit dem baukulturellen Erbe. Dem Ganzen wird nun eine weitere Ebene in diesem Buch hinzugefügt. So erzählen Menschen, die im City-Hof gearbeitet haben, ihre persönliche Geschichte und hauchen den Bauten wieder ihr Leben ein.
„Vier Türme im Herzen Hamburgs: Kaum ein Gebäude in der Hansestadt wird so kontrovers diskutiert wie der 1958 fertig gestellte City-Hof in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Ist er ein Schandfleck? Ein architekturhistorisch wichtiges Denkmal? Ein vergessenes Juwel, das nach einer gründlichen Sanierung wieder zu neuem Glanz käme? Die Fotografen und Autoren entscheiden diese Fragen nicht. Doch sie machen mit ihrem Werk Bestandsaufnahme und Portrait des Hochhauskomplexes und der Menschen, die darin arbeiten. Der durch den jahrzehntelangen Sanierungsstau wie aus der Zeit gefallen wirkende City-Hof wird von den Fotografen Nicole Keller und Oliver Schumacher von Dach bis Keller mit genauem Blick, liebevoll und oft augenzwinkernd vorgestellt. In 24 Gesprächen mit der Autorin kommen die Personen zu Wort, die teilweise seit Jahrzehnten ihr Büro, Ladengeschäft oder Restaurant in einem der Türme haben. Seien es Mitarbeiter des Bezirksamtes Hamburg-Mitte, das in allen vier Türmen angesiedelt war, die Inhaber des Kult-Italieners in Block C, ein alteingesessener Schiffsmakler oder der Betreiber des kleinen Kiosks in Block B und A: Die Besonderheit des City-Hofes ist allen bewusst.“
Erschienen im Junius Verlag
Nicholas Fox Weber – Die Bauhaus-Bande. Meister der Moderne
Die Zahl der Publikationen um das Bauhaus steigt, je näher das 100jährige Jubiläum kommendes Jahr rückt. In diesem Buch geht es um die persönlichen Geschichten der Bauhaus Künstler.
„Nicholas Fox Weber, seit mehr als 40 Jahren das Gesicht der Albers Foundation, verbrachte viele Jahre mit Anni und Josef Albers, dem einzigen Künstler-Ehepaar am Bauhaus. Die Albers erzählten ihm ihre persönlichen Geschichten und beschrieben das Leben am Bauhaus mit ihren Künstlerkollegen und Lehrern, Walter Gropius, Paul Klee, Wassily Kandinsky und Ludwig Mies van der Rohe, sowie deren weniger bekannten Ehefrauen und Freundinnen. In dieser außergewöhnlichen Gruppenbiografie erweckt Weber die Bauhaus-Genies und die Gemeinschaft der wegweisenden Kunstschule in Weimar, Dessau und Berlin in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren zum Leben.“
Erschienen bei DOM Publishers
Lou Scheper-Berkenkamp – Der Lotsenfisch
Wir bleiben ein Buch länger beim Bauhaus – die SZ Edition hat nämlich das Kinderbuch aus dem Jahr 1948 von der Bauhausschülerin Lou Scheper-Berkenkamp als Neuauflage herausgebracht.
„Die fantastische und abenteuerliche Reise von Jan und Jon über die sieben Weltmeere, bei der die beiden Kinder mit ihrem Lotsenfisch sagenhafte Inseln besuchen, kuriosen Einwohnern und liebenswerten Monstern begegnen, ist nicht nur wunderbar erzählt, auch die Umsetzung ist für das deutschsprachige Kinderbuch einzigartig. Lou Scheper-Berkenkamp verbindet die Einflüsse des Kubismus mit der Formensprache der abstrakten Malerei. Text und Bild bilden eine faszinierende Einheit und die Zeilen scheinen zwischen den Figuren zu schweben.“
Erschienen in der SZ Edition
Thomas Stangl – Fremde Verwandtschaften
Es gibt wirklich so gut wie keine belletristischen Bücher, in denen die Protagonist*innen aus der Architektur kommen. Umso mehr habe ich mich gefreut, über das Buch von Thomas Stangl gestolpert zu sein. Eine erste Leseprobe macht zudem Lust auf mehr.
„Während seiner Reise zu einer Konferenz nach Westafrika öffnen sich einem Wiener Architekten ungeahnte Denkregionen. In schlaflosen Nächten, auf Irrwegen durch die fremde Stadt und bei immer weniger einzuordnenden Begegnungen werden dem Mittvierziger seine Vorstellungen und sein Handeln, seine Verantwortung und seine Routinen als Architekt, Europäer, Vater, Sohn und Ehemann immer fremder. Je tiefer er in sein Inneres eindringt, desto größere Risse und poröse Stellen bekommen die Säulen seiner Existenz. Die Möglichkeit eines ganz anderen Lebens blitzt auf. Eine parallele Reise unternimmt ein namenloses Ich, das wie ein Rauschen, Rascheln und Hallen aus dem Hintergrund zu hören ist. Seine halluzinatorischen und verstörenden Gedanken- und Erinnerungsbilder schieben sich – in fremder Verwandtschaft – in die Erzählung hinein.“
Erschienen beim Droschl Literaturverlag
Museum für Gestaltung Zürich – Social Design. Partizipation und Empowerment
Bis zum 3. Februar läuft noch die Ausstellung Social Design auf dem Toni Areal in Zürich. Social Design setzt den Menschen in den Mittelpunkt und sieht in einem partizipativen Verfahren den gemeinsamen Entwurfsprozess vor. Für diejenigen, die es nicht rechtzeitig nach Zürich schaffen – im Zuge der Ausstellung ist eine Begleitpublikation erschienen.
„Social Design ist Gestaltung für die Gesellschaft und mit der Gesellschaft. Als soziale Innovation und auf der Basis von Dialog und Partizipation setzt Social Design auf eine neue Vernetzung von Individuum, Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft. Social Design reagiert damit auf eine global agierende Wachstumsökonomie und deren Folgen für Menschen und Umwelt: Produktionsmittel und Ressourcen werden knapper, eine Neugestaltung von sozialen Systemen, Lebens- und Arbeitsumgebungen steht zur Diskussion. Seit jeher nehmen Architekten und Designer eine fundamentale Rolle bei der Gestaltung dieser sozialen Kultur ein. «Social Design» stellt eine längst überfällige Bestandsaufnahme der aktuellen internationalen Positionen von interdisziplinärer Breite dar, die von neuen Infrastrukturen bis zur Rückeroberung von Städten durch ihre Bewohner reicht. Die rund 27 Projekte aus den Bereichen urbaner Raum und Landschaft, Wohnen, Bildung und Arbeit, Produktion, Migration, Netzwerke und Umwelt werden von drei Forschungsbeiträgen gerahmt, die ausgehend von den historischen Wurzeln und Grundlagen des Social Designs einen Blick auf den gegenwärtigen, theoretischen Diskurs und seine zukünftigen Tendenzen werfen.“
Erschienen bei Lars Müller Publishers
Roland Jaeger – Foto-Auge Fritz Block. Neue Fotografie. Moderne Farbdias.
Eine weitere Publikation, die im Rahmen einer Ausstellung in der Handelskammer ist, umfasst das fotografische Werk von Fritz Block. Das Buch gibt einen schönen Einblick in das Hamburg der 20er Jahre. Die Ausstellung kann man noch bis zum 30.11. in der Handelskammer besichtigen.
„Als Architekt gehörte Fritz Block (1889–1955) zu den engagierten Vertretern des Neuen Bauens in Deutschland. Ab 1929 brachte er den Impuls der Moderne auch als Fotograf zum Ausdruck und trat mit Aufnahmen von Technik, Natur und Menschen im Stil der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens hervor. Daneben lieferte er bildjournalistische Städte- und Reisereportagen mit der Leica aus Paris, Marseille und Nordafrika sowie 1931 aus den USA. Wegen seiner jüdischen Herkunft waren ihm in Deutschland ab 1933 die Arbeit als Architekt und die Veröffentlichung seiner Bilder verwehrt. Auf Auslandsreisen setzte er seine Fotografie jedoch fort. Schließlich emigrierte er 1938 in die USA, wo er in Los Angeles die Fotografie zu seinem Hauptberuf machte. Foto-Auge Fritz Block ist das erste Buch über das fotografische Werk des Architekten. Es reicht von der Neuen Fotografie der 1920er-Jahre in Deutschland bis zur Farbfotografie der 1940er-Jahre in den USA. Eine Wiederentdeckung sind vor allem die Farbdia- Serien, die Block im Exil für einen fortschrittlichen Kunstunterricht produzierte, darunter viele Aufnahmen von Bauten der kalifornischen Architekturmoderne. Das Buch erscheint zur Ausstellung Foto-Auge Fritz Block. Der Architekt als Fotograf in der Handelskammer Hamburg.“
Erschienen bei Scheidegger & Spiess