Vom New Yorker Flaneur bis zum Fensterdetail der Elbphilharmonie. In dieser Ausgabe der Buchtipps stelle ich Euch meine aktuellen zehn Favoriten vor.
Wenn es nach mir ginge, könnte ich momentan jeden Tag ein Buch durchlesen. Abtauchen in spannende Geschichten, sich durch die Poesie von Worten treiben lassen, um dann mit hoffentlich einer Erkenntnis mehr das Buch zuzuklappen und kurz inne zu halten. Der Lesewahn hat mich wieder gepackt – doch die Temperaturen lassen gerade nur leichte, belletristische Kost zu. Dabei gibt es bemerkenswerte Fachliteratur, die in meinem Bücherregal nur darauf wartet, gelesen zu werden. Dort werde ich sie auch bis auf Weiteres ruhen lassen. Und so versuche ich, in dieser Ausgabe der Buchtipps einen Bogen zu spannen – für diejenigen, denen Bilder und Illustrationen reichen, aber auch die Dauergrübler, denen selbst 34° im Schatten nichts anhaben können.
Niklas Maak – Durch Manhattan
Bereits im vergangenen Herbst hat der FAZ-Redakteur dieses Buch veröffentlicht. Dieses Jahr wurde es von der Stiftung Buchkunst zu einem der „schönsten deutschen Bücher“ 2018 ausgezeichnet. Zwei Flaneure, ein Architekturkritiker und eine Künstlerin, lassen sich treiben und halten ihren Spaziergang durch Manhattan in Wort und Bild fest. Das klingt spannend – nicht nur für New York Fans! Am 1. September liest Niklas Maak bei Sauter + Lackmann aus dem Buch.
„Ein Journalist und eine Künstlerin, Niklas Maak und Leanne Shapton, wandern zwei Tage von der Südspitze Manhattans bis zur Nordspitze der Insel an der 220. Straße. Sie lassen sich vom Zufall treiben und beobachten die Stadt: die Löcher in den Straßen, die gelben Taxen, die alten Backsteinfassaden, den chinesischen Schrotthändler, die Millionäre in ihren Bentleys, die Überwachungskameras, den Trump-Tower, die Flugzeuge am stahlblauen Himmel. Niklas Maak macht sich Notizen, Leanne Shapton aquarelliert. Nach und nach entsteht ein ungewöhnliches, sehr individuelles Bild von New York: unsere Gegenwart, als Mikrokosmos gebannt auf einer Insel im Hudson River.“
erschienen 09/2017 im Hanser Verlag
Roger Popp – Fritz Schumacher und der Dulsberg
Zwischen Barmbek und Wandsbek fügt sich einer der kleinsten Stadtteile Hamburgs ein. Der Dulsberg, einst Ackerland, wurde nach dem ersten Weltkrieg in den Fokus der Stadterweiterung genommen. Oberbaudirektor Fritz Schumacher plante zwischen 1918 und 1930 zwei Schulen und einen Teil der Wohnhäuser. Der Stadtteil feiert dieses Jahr 100jähriges Planungsjubiläum – eine ideale Gelegenheit, um ein Buch über die Geschichte der Bauten zu veröffentlichen.
„Auf dem Dulsberg haben die verschiedensten Planer Spuren hinterlassen und erste Bausteine für eine moderne Stadtplanung gelegt. Seit 1897 wurde die Acker- und Weidefläche im Hamburger Osten zu einem Wohngebiet umgeplant, aber erst der Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher (1869 – 1947) war es, der vor hundert Jahren ein zeitgemäßes Konzept auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen durchsetzte. Seine stadtplanerischen Ideen prägen bis heute den Stadtteil maßgeblich.
Das Buch zeichnet anhand teilweise unveröffentlichter Fotos, Pläne und Skizzen die Entstehungsgeschichte des neuen Planungsansatzes Schumachers nach und stellt weitere historisch bedeutsame Bauten auf dem Dulsberg vor (u.a. die Gerson-Blöcke, die Laubenganghäuser der Gebrüder Frank und den Naumann-Block von Klophaus, Schoch und zu Putlitz). Weitere Themen sind der Grünzug- Entwurf von Otto Linne und der Wiederaufbau nach dem Krieg.“
erschienen 06/18 im Dölling und Galitz Verlag
Michael Koch / Renée Tribble / Yvonne Siegmund / Amelie Rost / Yvonne Werner – New Urban Professions – A Journey through Practice and Theory
Seit Jahren entfernen sich bereits unterschiedliche Arbeitsfelder immer stärker von der einzelnen Disziplin hin zur Trans- und Interdisziplinarität. Ein fächerübergreifendes Auffinden von Lösungen schafft einen Mehrwert für das Produkt. Dass dieser Ansatz auch in der städtischen Planung gelten sollte, soll die Publikation New Urban Profession – A Journey through Practice and Theory aufzeigen.
„Neue urbanistische Arbeitsfelder?! Urbane Entwicklungen absichtsvoll und positiv zu beeinflussen ist produktiv nur zu bewältigen, wenn tradierte disziplinäre Grenzen überschritten werden. Gefordert ist also ein Umdenken in der urbanistischen Praxis.
New Urban Professions – A Journey through Practice and Theory diskutiert dazu explorativ Phänomene, Reflexionen und Professionalisierungsmöglichkeiten der verschiedenen Arbeitsfelder. Der erste Teil widmet sich unterschiedlichsten Akteuren, die angemessene Entwicklungsstrategien und Prozessgestaltungen erproben. Sie experimentieren mit professionellen und persönlichen Kompetenzen und loten dabei das Verhältnis von Kreativität und multipler Autorenschaft neu aus. Mitentscheidend für den nachhaltigen Erfolg kollektiver urbaner Zukunftsgestaltung wird sein, ob, inwieweit, wo und wie die aufscheinenden notwendigen Kompetenzen gelehrt und gelernt werden können. Diesem Thema geht der zweite Teil des Buches nach: Wie kann ein nachhaltiger Erfahrungsaustausch aussehen, welche curricularen Konsequenzen scheinen notwendig und in welchen Rollen, Räumen und raumzeitlichen Zusammenhängen muss man sich auf die Koproduktion von Stadt vorbereiten.
Mit Beiträgen von unter anderen: Renato Anelli, Anna Paula Couri, Christopher Dell, Christoph Heinemann, Bernd Kniess, Ton Matton, Michael Obrist, Klaus Overmeyer, Doina Petrescu, PlanBude, Carlo Ratti, Stefan Rettich, Tatjana Schneider, Snøhetta, Teleinternetcafe, Umschichten, Kai Vöckler, Kathrin Wildner“
erschienen 06/18 im Jovis Verlag
Stephan Erfurt – On the Road
Es muss ja nicht immer Text sein. Ein schöner Bildband kann auch die Gedanken zum Schweifen bringen. Insbesondere die Zeitreise von Stephan Erfurt klingt spannend.
„In den zwei Jahrzehnten zwischen 1980 und 2000 realisiert Stephan Erfurt zahlreiche Bildstrecken in unterschiedlichen Magazinen, die seine internationale Reputation begründen. Ein Werk voller Narration und Poesie entsteht, mal melancholisch-zart, mal in harter Realitätsschilderung. Erfurt konzentriert sich häufig auf das atmosphärisch dichte Detail, als neugieriger Weltbeobachter formuliert er wie ein Essayist. Eine Besonderheit ist das Fotografieren im Zwielicht, also kurz vor Sonnenaufgang oder kurz nach Sonnenuntergang. Die Verlagerung von Leben und Arbeit nach Berlin ab Mitte der 1990er-Jahre lässt ganz andere Bilder entstehen, etwa die berühmte Nahaufnahme des Fernsehturms am Alexanderplatz.
Stephan Erfurt entflieht 1978, 20-jährig, der Enge seiner Heimatstadt Wuppertal. In Paris entdeckt er das Medium Fotografie für sich. Anschließend studiert er in Essen Fotografie, und ab Mitte der 1980er-Jahre arbeitet er in erster Linie von seinem neuen Lebensmittelpunkt New York aus. Als das FAZ-Magazin, das zu Erfurts wichtigstem Distributionsmedium geworden ist, 1999 eingestellt wird, stellt auch er mehr oder weniger die eigene Fotografie ein. In Berlin gründet er mit zwei Freunden nur kurze Zeit später C/O Berlin, das sich zu einer international vernetzten Fotoinstitution entwickelt hat.“
erschienen 2018 im Kehrer Verlag
Annette Becker / Stefanie Lampe / Lessano Negussie / Peter Cachola Schmal – Fahr Rad! Die Rückeroberung der Stadt.
Es ist Sommer, es ist sehr heiß, es gibt nichts Schöneres, als sich bei diesen Temperaturen aufs Rad zu schwingen und den Fahrtwind auf dem Weg zur Arbeit zu genießen. Leider wird man in Hamburg noch viel zu häufig von den Abgasen zugepestet, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Denn seit einigen Monaten beschäftigt sich die Ausstellung im DAM in Frankfurt „Fahr Rad!“ mit der wohl nachhaltigsten Mobilitätsform und zeigt anhand von unterschiedlichen Beispielen, wie eine fahrradfreundliche Stadt aussehen kann. Passend dazu ist auch ein Buch mit Beiträgen von Jan Gehl und Kees Christiaanse erschienen.
„Der Radverkehr nimmt weltweit eine immer bedeutendere Rolle in der Stadt ein. Gründe hierfür sind: Entlastung des automobilen Straßenverkehrs, nachhaltige Verkehrsplanung, Reduzierung von Lärm- und Abgasemission, Aufwertung des öffentlichen Raumes, individuelle Gesundheitsvorsorge sowie volkswirtschaftliche Einsparpotentiale bei Gesundheits- und Infrastrukturkosten. Das Buch zeigt urbanistische Ideen und architektonische Projekte auf, die weit über einen reinen Umbau des Verkehrs hinausgehen: Es geht in acht Essays städtebaulichen, landschafts- und verkehrsplanerischen Aspekten dieses Trends nach, stellt neun vorbildliche Radverkehrskonzepte verschiedener Städte vor (u.a. Barcelona, Kopenhagen, Münster, New York, Paris) und präsentiert 28 wegweisende Rad-Infrastruktur-Einzelprojekte.“
erschienen 04/18 im Birkkäuser Verlag
Sarah Hughes – Walking the City with Jane: An Illustrated Celebration of Jane Jacobs and Her Legacy of Livable Cities
Ich muss zugeben, ich bin ein großer Jane Jacobs Fan. Bereits in den 60er Jahren rief sie in ihrem wohl bekanntesten Werk „The Death and Life of Great American Cities“ zu einer kleinteiligeren Stadtplanung, in der eine lebendige und ungeplante Entfaltung von Nachbarschaften möglich ist, auf. Ein Ansatz, der sich nur sehr zäh und mit viel Mühe und Druck in deutschen Städten durchsetzt. Nun ist ein Buch mit zahlreichen Illustrationen über ihr Leben erschienen.
„From the time she was a young girl, Jane Jacobs‘ curious mind made her a keen observer of everything around her. When she grew up, she moved to New York City, a place full of new wonders for her to explore. It was there she realized that, just like in nature, a city is an ecosystem. „It is made of different parts — sidewalks, parks, stores, neighborhoods, City Hall . . . and people, of course. When they all work together, the city is healthy.“ So, when city planner Robert Moses proposed creating highways through the city that would destroy neighborhoods and much of what made New York great, Jane decided she couldn’t let it happen. She stood up to the officials and rallied her neighbors to stop the plans —and even got arrested! Jane’s bravery and ideas had a huge influence on urban planning that is still being felt today. In this lively and engaging informational picture book, award-winning author Susan Hughes provides a fictionalized story of the life of Jane Jacobs, one of the world’s greatest urban thinkers and activists. This book makes a terrific resource for studying civic engagement, urban life, the history of New York and Toronto (where Jane moved later in life), and the role of city planning. Jane’s inspirational story is also an excellent example for character education lessons on perseverance, citizenship and initiative. Stylized illustrations by Valérie Boivin perfectly evoke the story’s time and place. End matter includes a brief biography of Jane Jacobs.“
erschienen 04/18 bei Kids Can Press (Amazon-Link) (Englisch)
Herzog & de Meuron – Elbphilharmonie Hamburg
Lang hat es in der Tat gedauert, bis sie fertiggestellt wurde, die Elbphilharmonie. Regelmäßig berichteten die Medien darüber, selten ging es dabei um die eigentliche Architektur als vielmehr um Kosten und Dauer der Baustelle. Inzwischen ist sie eröffnet, zieht jeden Tag unzählige Touristen auf die Plaza und Hamburg scheint versöhnt mit ihr. Nun ändert sich die Perspektive und man wechselt zur Sicht der Architekten. In ihrer Publikation werden mit zahlreichen Baustellenfotos, Bildern von Arbeitsmodellen, Skizzen und konstruktiven Details neue Hintergrundinfos zur Planung und zum Prozess gezeigt. Für alle Elphi-Fans ein Must Have.
„Die Elbphilharmonie ist das neue Wahrzeichen von Hamburg und bereits jetzt eine Ikone der zeitgenössischen Architektur. In diesem Buch dokumentieren Herzog & de Meuron ihr Projekt: Umfangreiches Archivmaterial, Pläne und Fotografien machen den Entstehungsprozess des Jahrhundertbauwerks von der ersten Skizze über die vielfältigen Herausforderungen von Planung und Realisierung bis zum fertigen Gebäude anschaulich und nachvollziehbar.
Der Dialog zwischen historischem Backsteinsockel und zeitgenössischem Glaskristall, die Verbindung unterschiedlicher Nutzungen, die Entwicklung des spektakulären grossen Konzertsaals, die Gestaltung einer öffentlichen Plaza für die Bevölkerung sind nur einige der vielen Aspekte, die die Attraktivität des Bauwerks ausmachen.“
erschienen 04/18 im Birkhäuser Verlag
Karin Lindeskov Andersen – Elbphilharmonie-ABC
Wir bleiben bei der Elbphilharmonie. In diesem Fall richtet sich das Buch an die kleinen Leser*innen und stellt mit dem Tier-ABC das Konzerthaus vor.
„Der Dachs auf dem Dach, der Jaguar im Jazzkonzert und die Pinguine auf der Plaza – für viele kleine Hamburgerinnen und Hamburger sind die freundlichen ABC-Tiere längst alte Bekannte. Jetzt macht die lustige Clique einen Ausflug zur Elbphilharmonie, erkundet das große Konzerthaus ganz genau und zeigt den jungen Betrachterinnen und Betrachtern, wo und auf welchen Instrumenten in dem Jahrhundertbauwerk die Musik spielt. Wie gewohnt treten die Tiere in alphabetischer Reihenfolge auf und präsentieren jeweils ein Ding oder einen Ort, den es dort zu entdecken gibt und der mit demselben Buchstaben beginnt wie ihr Name. Die ebenso liebevollen wie klaren Zeichnungen in diesem Pappbuch stammen aus der Feder der dänischen Illustratorin Karin Lindeskov Andersen.“
erschienen 06/18 im Junius Verlag
Hélène Frichot / Catharina Gabrielsson / Helen Runting – Architecture and Feminism: Ecologies, Economies, Technologies
Als ich von dieser Publikation erfuhr, schickte ich sofort die Bestellung an meinen Lieblingsbuchladen los. Endlich beschäftigt man sich wieder mehr mit dieser Thematik. Zeit wird es nämlich! Also bitte mehr davon – auch auf Deutsch!
„Set against the background of a ‘general crisis’ that is environmental, political and social, this book examines a series of specific intersections between architecture and feminisms, understood in the plural. The collected essays and projects that make up the book follow transversal trajectories that criss-cross between ecologies, economies and technologies, exploring specific cases and positions in relation to the themes of the archive, control, work and milieu. This collective intellectual labour can be located amidst a worldwide depletion of material resources, a hollowing out of political power and the degradation of constructed and natural environments. Feminist positions suggest ways of ethically coping with a world that is becoming increasingly unstable and contested. The many voices gathered here are united by the task of putting critical concepts and feminist design tools to use in order to offer experimental approaches to the creation of a more habitable world. Drawing inspiration from the active archives of feminist precursors, existing and re-imagined, and by way of a re-engagement in the histories, theories and projected futures of critical feminist projects, the book presents a collection of twenty-three essays and eight projects, with the aim of taking stock of our current condition and re-engaging in our precarious environment-worlds.“
erschienen 11/17 bei Routledge (Amazon-Link) (Englisch)
Mark Wigley – Cutting Matta-Clark – The Anarchitecture Investigation
Vor vielen Jahren bin ich das erste Mal zufällig auf Gordon Matta-Clark in einer Ausstellung gestoßen und war sofort von seiner Sicht- und Arbeitsweise zu und mit Architektur begeistert. Die tatsächliche Dekonstruktion von Räumen mit Hilfe von Kettensägen sollte neue Sichtweisen auf diese Räume schaffen. In den 70er Jahren war er Teil der New Yorker Anarchitecture-Gruppe. Nun wird die Arbeit rund um ihn und das Kollektiv ausführlich rekonstruiert.
„The Anarchitecture group show at the fabled 112 Greene Street gallery – an artistic epicenter of New York’s downtown scene in the 1970s – in March 1974 has been the subject of an enduring discussion, despite a complete lack of documentation about it. Anarchitecture, a collective challenging all conventional understandings of architecture, has become a foundational myth, but one that remains to be properly understood. Cutting Matta-Clark investigates the group through extensive interviews with the protagonists and a dossier of all the available evidence. Stemming from a series of meetings, organized by Gordon Matta-Clark and reflecting his long-standing interest in architecture, the Anarchitecture exhibition was conceived as an anonymous group statement in photographs about the intersection of art and building. But did it actually happen? It exists only through oblique archival traces and the memories of the participants.“
erschienen 02/18 bei Lars Müller Publishers (Englisch)