Kultur

Von schönen Ornamenten und hässlichen Bauten

Philip Beesley/Living Architecture Systems Group: Nebula Prototype: Liminal Architecture, © PBA_Toronto_Liminal Architectur_by Philip_Beesley, Foto: Henning Rogge

Die Tatsache, dass weder in der Architektur noch in fast allen weiteren Design-Disziplinen über Schönheit gesprochen wird, klingt eigenartig und doch trifft sie zu. Weder taucht das Wort in Publikationen auf, noch wird es in anderen Zusammenhängen verwendet. Die Nutzung dieses Begriffs ist seit vielen Jahrzehnten in kreativen Kreisen verpönt – ein Interesse scheint es dafür einfach nicht zu geben. Während also ein einvernehmliches Stillschweigen in Fachkreisen herrscht, findet auf den Social Media Kanälen in der breiten Öffentlichkeit eine Renaissance der Schönheit statt: vom malerisch gedeckten Frühstückstisch über stilvoll eingerichtete Wohnzimmer bis hin zur kunstvoll adaptieren Architekturfotografie. Das schönste Bildarrangement erhält die meisten Likes. Sollte sich demzufolge der Diskurs um Schönheit auch wieder stärker auf die Fachkreisebene verlagern?

An diesem Punkt setzt die Ausstellung „Beauty“ im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg an. Die beiden Grafikdesigner Stefan Sagmeister und Jessica Walsh wünschen sich eine Wiederbelebung der Begriffsnutzung und zeigen anhand von 70 Objektgruppen, dass es sich lohnt, wieder vermehrt über Schönheit zu sprechen. Die Ausstellung, die ihren Auftakt im MAK in Wien hatte und dann ins Museum Angewandte Kunst in Frankfurt wanderte, gliedert sich in insgesamt sechs Themengebiete, die sich den zahlreichen Aspekten von Schönheit aus unterschiedlichen Perspektiven widmen.

Foto: Henning Rogge
Foto: Henning Rogge

Ornament und Verbrechen

Doch woher kommt der Verdruss der kreativen Kreise im Zusammenhang mit dem Begriff? Einen wichtigen Impuls sehen die beiden Designer im 1908 von Adolf Loos veröffentlichten Essay „Ornament und Verbrechen“. Loos rief damals dazu auf, sich von unnötigen Ornamenten loszulösen: „Evolution der kultur ist gleichbedeutend mit dem entfernen des ornaments aus dem gebrauchsgegenstande.“. Durch die aufwändige Ornamentierung von Objekten würde kostbare Arbeitszeit vergeudet werden. Zudem seien die Gegenstände damit einer zeitbedingten Mode untergeordnet und bereits nach wenigen Jahren nicht mehr en vogue und müssten ausgetauscht werden. Loos plädierte gegen diese unnötige Obsoleszenz und für eine kostengünstige, maschinelle Fertigung, die durch ihre Zeitlosigkeit länger nutzbar sei. Mit dem Aufbruch in die Moderne und diesem sehr deutlich formulierten Plädoyer begann eine Reihe von Designern und Architekten, jeglichen Dekor aus den Entwürfen zu entfernen.

Foto: Henning Rogge
Foto: Henning Rogge

In der Ausstellung werden nicht nur die historischen Zusammenhänge hergestellt – Sagmeister und Walsh versuchen vielmehr die Relevanz von Schönheit zu verdeutlichen, wie etwa um stadträumliche Qualitäten hervorzubringen: Hierzu wird u. a. ein Umgestaltungsprojekt aus der albanischen Hauptstadt Tirana vorgestellt, in der der damalige Bürgermeister Edi Rama Anfang der 2000er Jahre zahlreiche graue und teilweise zerfallende Sowjet-Bauten instand setzen und die Fassaden bunt bemalen ließ. Informelle Bauten wurden abgerissen, die daraus entstandenen Lücken begrünt. Mit dieser einfachen und zugleich radikalen Methode schaffte es die albanische Hauptstadt zu einer Touristenattraktion zu werden und profitierte daraus zudem mit einem wirtschaftlichen Aufschwung. Die vorgestellten Objekte stammen aus Disziplinen, die den beiden Grafikdesignern vertraut sind: der Architektur, der Mode und dem Produktdesign. So hängt ein großer Kronleuchter aus Kunststoff über einem Thonet-Arrangement aus Canapé, Salontisch und Fauteuil. Der französische Designer Thierry Jeannot ließ den Kronleuchter von Müllsammmlern aus Mexico City herstellen. Über die Objektpräsentation hinaus werden unterschiedliche digitale Formate gezeigt, wie beispielsweise die Installation „Schönheit = Funktion“, die bereits im Österreichischen Pavillon auf der vergangenen Architektur Biennale zu sehen war. Darin werden die beiden Begriffe grafisch ausgearbeitet und in einem neuen Kontext platziert.

Jill Fantauzza: Vogelschwarm-Installation | © Jill Fantauzza, Foto: Henning Rogge
Jill Fantauzza: Vogelschwarm-Installation | © Jill Fantauzza, Foto: Henning Rogge

Welche Gerüche sind schön?

Die Ausstellung spricht mit ihrem multimedialen und partizipativen Charakter eine breite Öffentlichkeit an und versucht dabei immer wieder spielerisch die Aufmerksamkeit auf die einfachen Dinge zu lenken. Besucher werden dazu aufgefordert mit Papiermünzen, die sie am Einlass erhalten, an fünf Stationen darüber abzustimmen, welchen Geruch, welche Landschaft oder welche Farbe sie am schönsten finden. So simpel die Abstimmungsstationen klingen, so oberflächlich erscheint die Gesamtausstellung an vielen Stellen. Trotz der sechs Themengebiete fehlt der rote Faden – die Objekte wirken willkürlich zusammengestellt und damit aus ihrem Kontext gerissen. Eine vertiefte Auseinandersetzung findet nicht statt. Doch muss Schönheit tiefgründig sein?

Foto: Henning Rogge
Foto: Henning Rogge

„Beauty“ überwältigt zwar mit ihrer Objektmenge, und doch bleibt die Ausstellung durchweg sinnlich und kurzweilig. Statt neuer Erkenntnisse gibt Stefan Sagmeister dafür einen kleinen Ausblick. Laut dem Grafikdesigner verweigern mittlerweile nur noch mittelmäßige Architekten die Begriffsnutzung. Ein Anfang.