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Kommentar // Ottensen muss autofrei werden

Blick aus dem Projekt Ottensen macht Platz auf die Ottenser Hauptstraße | © Patrick Huesmann

Das Verwaltungsgericht Hamburg erklärt das Projekt „Ottensen macht Platz“ als rechtswidrig. Damit stellt sich die Frage: Wer hat das Recht auf den öffentlichen Raum – Autos oder Menschen?

Das Erstaunen war groß, als am Dienstagnachmittag der Senat mitteilte, dass das Forschungsprojekt „Ottensen macht Platz“ vom Verwaltungsgericht Hamburg als rechtswidrig erklärt wurde. Eine bittere Niederlage für die Forschenden des europäischen Projekts Cities4People, die das sechsmonatige Mobilitätslabor Anfang September im Zentrum Ottensens starteten. Nun muss es, vier Wochen vor dem offiziellen Abschluss, beendet werden. Ausschlaggebend hierfür war ein Eilantrag zweier gewerblicher Anlieger, die gegen die Verkehrszeichen, die das Gebiet als Fußgängerzone ausweisen, mit Erfolg klagten. Parteisprecher der FDP Ewald Aukes befürwortete die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und führte in einem Statement aus, dass Straßen nicht als Versuchslabore genutzt werden sollten.

In Fachkreisen herrscht hingegen Unverständnis. Wie kann ein zeitlich begrenztes Forschungsprojekt, das die Mobilitätspotenziale eines Quartiers untersucht, vorzeitig beendet werden? Wieso wird der PKW vor dem Gemeinwohl priorisiert? Weshalb ist der Groll gegenüber einer Verkehrswende so groß, dass nicht einmal wichtige und innovative Forschungskonzepte zugelassen werden sollen? NIMBYs (Not-In-My-Back-Yard) werden zu NIMS‘ (Not-In-My-Street) – und gleichzeitig nehmen die Konflikte an dicht bebauten Orten immer weiter zu. Heutzutage verkommt der öffentliche Raum immer mehr zu einer reinen Durchgangszone. Die Aufenthaltsqualität darin nimmt weiter ab, dabei ist diese, laut Wissenschaft, für ein gesundes Stadtklima wichtig. Daher ist es dringend notwendig, Forschungsstudien durchzuführen, um zu ermitteln, welche Maßnahmen sich dauerhaft positiv auf Quartiere auswirken können.

Ein geeigneter Ort zum Testen von autofreien Zonen

Ottensen stellt sich als geeigneter Ort für diese Studie dar: Der Stadtteil zeichnet sich durch eine kleinteilige, dichte und durchmischte Bebauungsstruktur mit zahlreichen schmalen Straßen aus. Bei den Straßen, die für die Forschungszwecke gesperrt wurden, handelt es sich um keine wichtigen Durchfahrtsstraßen. Mit der unmittelbaren Nähe zum Bahnhof Altona ist der Stadtteil zudem hervorragend an den ÖPNV angebunden, der sowohl mit einem Bus- als auch mit dem S- und Regionalbahnangebot kaum besser ausgestattet sein kann. Personen, die dennoch zwingend auf einen PKW angewiesen sind, haben die Möglichkeit ihr Auto in zwei Parkhäusern am Bahnhof abzustellen.

Mit dem autofreien Konzept wurden die teilweise sehr schmalen Gehwege in den Straßenraum erweitert, was zu einer Entschleunigung dieser Räume führte. Statt sich wie bisher durchzudrängeln, flanierte die Allgemeinheit, blieb stehen um sich zu unterhalten oder verweilte auf den bereitgestellten gelben Sitzgelegenheiten. Dass sich autofreie Zonen positiv auf das Gewerbe auswirken, beweisen ebenfalls zahlreiche durchgeführte Studien.

Um zu erfahren, was sich die Bevölkerung für diese Orte wünscht, wurden Befragungen und Workshops vom Forschungsteam durchgeführt. So konnte die Grundstimmung eingefangen und auf Bedarfe kurzfristig reagiert werden, wie beispielsweise mit einer mobilen Begrünung. Denn genau für solche Anpassungen eignen sich Forschungsprojekte. Statt fertige Planungen dauerhaft und teuer umzusetzen und dabei Gefahr zu laufen, dass sie nicht angenommen werden, gibt es bei solchen Konzepten die Möglichkeit des Testens und Verwerfens, um die optimalen Lösungen für ebenjene Orte herauszuarbeiten. Die Öffentlichkeit hatte die Möglichkeit, sich mit eigenen Ideen einzubringen und sowohl vor Ort als auch online über Vorschläge abstimmen, etwa an welcher Stelle eine Lastenradstation im Projektgebiet sinnvoll wäre. 

Wie geht es weiter?

Doch wie geht es weiter mit „Ottensen macht Platz“? Einen Ausblick gibt es schon. Laut einer schriftlichen Stellungnahme des Bezirksamts Altona soll am 14. Februar vom Bundesrat in der nächsten Plenarsitzung die Straßenverkehrsordnung zu Gunsten von weiteren Verkehrsversuchen angepasst werden. Ob „Ottensen macht Platz“ auch dauerhaft weitergeführt wird, wird am 20. Februar in der Bezirksversammlung entschieden. Die Chancen stehen gut. In einem Interview mit dem NDR erklärte die Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg dass 85% der Anwohnerïnnen sich für die Fortführung und Umsetzung des Projekts ausgesprochen haben. Um lebenswerte Städte zu erwirken, bedarf es einer umfassenden Neubetrachtung der öffentlichen Räume und der kritischen Hinterfragung wem sie gehören: den (geparkten) Autos oder den Menschen? Die Antwort dürfte wohl auf der Hand liegen.