Am 7. Juni finden im Rahmen des Architektur Sommers eine Tanzperformance im Oberhafen statt
Architektur lässt sich in seiner Begrifflichkeit generell sehr weit fassen und wird dementsprechend auch gerne breit interpretiert. Mit Architektur kann man an Grenzen stoßen, Architektur kann aber gleichzeitig Grenzen öffnen. Wir Menschen interagieren jeden Tag aufs Neue mit Architekturen – reagieren auf ihr Material, die Kubatur und die Funktion – positiv und negativ. Mit unseren Handlungen schreiben wir diesen Räumen Eigenschaften zu und charakterisieren sie damit völlig unbewusst. Der Soziologe und Kulturphilosoph Michel de Certeau beschreibt dieses Phänomen ganz simpel: „Insgesamt ist der Raum ein Ort, mit dem man etwas macht.“ (1). Was passiert jedoch, wenn diese oder neue Handlungen plötzlich bewusst ausgeführt werden? Welche Räume können dadurch entstehen? Eine Kunstform, deren Basis der Raum bildet, ist der Tanz. Hier treffen die Komponenten Bewegung, Körper und Raum aufeinander und kreieren dadurch temporär neue Bilder und Atmosphären.
Wenn das Innere freigelassen wird
Eine tänzerische Auseinandersetzung mit ebenjenen Räumen findet heute Abend im Oberhafen statt. Im Rahmen des Hamburger Architektur Sommers führt die Kompanie dancingbeasts an zwei Abenden ihre Tanzperformance DADDY auf. Seit Anfang des Jahres arbeiten die Tänzerïnnen gemeinsam mit dem Choreografen Lucas Kristiansen an der Produktion BÆST, die man als Grundlage für DADDY verstehen kann. Darin geht es um bestimmte Verhaltensmuster, die sich Menschen im Laufe ihres Lebens aneignen, um sich gesellschaftlichen Standards anzupassen. Ähnlich wie sich Gebäude in Städten zueinander anordnen, passt sich der Mensch der Gesellschaft an. Kristiansen hinterfragt diese auferlegten, eingeübten Bewegungen und lässt das dauerhaft Unterdrückte frei. Was geschieht in dem Moment mit dem Körper, wenn das innere Biest aus dieser sozialen Form freigelassen wird?
Vom Biest zur tänzerischen Raumaneignung
Die Performance DADDY sieht sich als eine Weiterführung. Während man sich bei BÆST mit sich selbst und den eigenen Bewegungen auseinandersetzte, spielt bei DADDY der architektonische Raum eine essenzielle Rolle. Die Tänzerïnnen reagieren auf die gebaute Umwelt, die in diesem Fall die klassische Aufteilung von Bühne und Zuschauerraum komplett verlässt. Stattdessen wird zwischen Kisten, Podesten, Metallstangen und Turnmatten getanzt – die Performance findet nämlich in einer Halle für Parkour-Training statt. Durch die Durchmischung von Zuschauerïnnen und Raumobjekten wird eine neue, besondere Atmosphäre geschaffen, die alle Beteiligten fesselt, so der dänische Choreograf. Dabei entstehen einzigartige Momente, die zugleich unwiederholbar sind. Für die Tänzerïnnen bedeuten diese unberechenbaren Komponenten aus Zuschauerïnnen und dem neuen Raum eine zusätzliche Herausforderung. Um die Beschäftigung mit dem Raum so roh wie möglich zu halten, werden die Proben erst wenige Tage vor der Aufführung in die Halle verlegt.
Die beiden Abende werden sicherlich zu den außergewöhnlichen und besonderen Momenten im Architektur Sommer gehören. Im Anschluss an die Performance haben die Zuschauerïnnen die Möglichkeit, sich während eines Artist Talks mit den Tänzerïnnen auszutauschen.
Wann: 24.05. und 07.06 jeweils um 21.30
Wo: Die Halle – Oberhafen
Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Hamburger Architektur Sommers.
Quelle: 1 de Certeau, Michel: Kunst des Handelns, übersetzt von Ronald Voullié, Berlin: Merve Verlag 1988, S. 218
// Dieser Artikel entstand im Rahmen der offiziellen Medienpartnerschaft im Hamburger Architektur Sommer. //