Architektur

Eine Würdigung des Vergänglichen

Innenansicht des U-Bahnhofs

gmp · von Gerkan, Marg und Partner stellen die U-Bahnhaltestelle der U4 an den Elbbrücken fertig

Die Ankunft stellt einen besonderen Moment einer Reise dar. Entweder beendet sie diese oder sie symbolisiert den Beginn eines besonderen Erlebnisses. Mit der Ankunft lassen sich gleichzeitig Erwartungen an den Ort knüpfen. Bauliche Bezugspunkte, sogenannte Landmarks, können dabei eine große Rolle spielen. Dabei handelt es sich um Architekturen oder Landschaften, die den jeweiligen Ort charakterisieren.

In Hamburg kann sich die Ankunft für manche beispielsweise mit der Zugfahrt durch die Hamburger Innenstadt entlang der Alster ausdrücken. Für andere wiederum bedeutet bereits die Querung der Elbe mit Blick auf den Hafen das Ankommen in der Hansestadt. Den baulichen Bezugspunkt stellen ohne Zweifel in diesem Fall die Elbbrücken dar, da sie durch ihre markante, dynamische Konstruktion der geschwungenen Stahlträger für die Geschichte der Stadt und des Hafens stehen und zugleich, ganz pragmatisch betrachtet, den südlichen Teil Hamburgs mit dem Nördlichen verbinden. Nun werden diese beiden Landmarks um einen beeindruckenden Baukörper erweitert. Das Hamburger Architekturbüro gmp · von Gerkan, Marg und Partner haben vor kurzem die neue U-Bahnhaltestelle Elbbrücken fertiggestellt.

Lageplan der Haltestelle mit Elbtower im Osten
Lageplan der Haltestelle mit Elbtower im Osten | © gmp

Ein neuer Verkehrsknotenpunkt mit Aussicht

Am östlichen Ende der HafenCity wird ein neuer Verkehrsknotenpunkt entstehen, der S- und U-Bahn miteinander verknüpft und somit eine schnellere Verbindung aus dem Süden in die HafenCity und in den Osten gewährleistet. 2012 lobte die Hamburger Hochbahn AG den Wettbewerb für die Neuplanung der U-Bahnhaltestelle Elbbrücken aus. Nach der zweiten Runde erhielt gmp den Zuschlag. Als man sich damals zudem für die Planung einer S-Bahnhaltestelle entschieden hat, sollte diese baulich an die Struktur und das Erscheinungsbild des U-Bahnhofs angepasst werden. Für die Gestaltung dieses städtebaulichen Ensembles wurde gmp mit der Planung des Daches sowie der Verbindung beider Stationen beauftragt.

Außenansicht des U-Bahnhofes
Das Tonnengewölbe greift die Schwünge der Freihafenelbbrücke auf | © Marcus Bredt

Inmitten einer noch unbebauten Fläche verläuft nun die neue Haltestelle oberirdisch und parallel zu den Elbbrücken. Nähert man sich ihr, so erkennt man bereits von weitem die städtebaulichen Referenzen: die markanten Fischbauchträger der Neuen Elbbrücken wurden ebenso aufgegriffen wie die weiten Schwünge und sich kreuzenden Stahlelemente der Freihafenelbbrücke: eine Würdigung der beiden Elbbrücken in Materialität und Gestalt. Hier werden nach Fertigstellung der HafenCity circa 18.000 Fahrgäste täglich erwartet. Steht man am Kopf der Haltestelle, kann man die Aussicht auf Freihafenelbbrücke, Elbe und Hafen genießen. Für die Zukunft ist allerdings eine Querung der Elbe in den neuen Stadtteil Grasbrook geplant. Aus diesem Grund wurde das Gleisbett um einige Meter angehoben, um eine ausreichende Durchfahrtshöhe für die Schiffe zu erhalten.

Komplexe Ausführung und minimale Ausstattung

Erschlossen wird die U-Bahnhaltestelle von West und Ost. Die Eingangshalle, die bewusst in einem reduzierten Erscheinungsbild entworfen wurde, enthält eine Medienwand mit Vitrinen sowie Fahrkartenautomaten. Im Bahnsteigbereich darüber wurden die Sitzplätze in diese Wand eingefügt. Auf beiden Seiten befinden sich Boxen, die Räume für das Personal und die Reinigung, aber auch einen Bahnhofsshop beinhalten werden. Mit Treppen, Rolltreppen, Fahrstühlen und Rampen erreicht man die zweite Ebene, den 130 Meter langen Bahnsteig. Über eine dritte Ebene kann man die Gleise queren.

Grundriss des U-Bahnhofs
Grundriss des U-Bahnhofs | © gmp
Schnitt durch den U-Bahnhof mit darunter liegender Unterführung der Zweibrückenstraße
Schnitt durch den U-Bahnhof mit darunter liegender Unterführung der Zweibrückenstraße | © gmp

Die Dachkonstruktion wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro schlaich bergermann partner aus Stuttgart geplant. Als halbes Tonnengewölbe konzipiert, kreuzen sich 16 bogenförmige Stahlrahmen mit einer Länge von jeweils 40 Metern einmal über die gesamte Konstruktion hinweg. 20 Teilbögen stabilisieren die Konstruktion im Abstand von jeweils 8 Metern. Insgesamt 242 Stahlstreben wurden an 168 Knotenpunkten miteinander verschweißt. Die Höhe der Dachkonstruktion wird durch die vierte Ebene der Haltestelle bestimmt. Der sogenannte Skywalk verbindet die U-Bahnhaltestelle mit der S-Bahn und verläuft oberhalb der Stromtrassen der S-Bahn und der Züge.

Isometrie der Bogenträger
Isometrie der Bogenträger | © sbp
Detail eines Fußpunktes
Fußpunkt der Stahlträger, der radiale Bewegungen ermöglicht | © sbp

Die Kräfte werden an den beiden seitlichen Öffnungen dieser Halbtonne abgefangen. Um ein einheitliches Aussehen der Träger zu behalten, setzte man die Breite dieser auf 350 Millimeter fest. Da sich aber die Kräfte über die Dachfläche konstant ändern, variieren die Profile in ihrer Höhe, von 350 bis 600 Millimeter. Um die Reisenden vor Wind und Regen zu schützen, wurde unterhalb der Stahlkonstruktion eine Glashülle mit Verbundsicherheitsglas gespannt. Die einzelnen Scheiben erstrecken sich auf 2 x 2,5 Metern. Als zusätzliche Sicherung befinden sich unter jedem Glas zwei 6 Millimeter starke Edelstahlseile, die das Glas vor einem Absturz sichern. Es wurden insgesamt 1.200 Glasscheiben mit einem Gewicht von jeweils 250 kg verbaut.

Eine gläserne Verlängerung der Elbbrücken

Blick auf das Gleisbett
Eine zeitgenössische Verlängerung der Freihafenelbbrücke | © Marcus Bredt

Noch wirkt die Haltestelle verloren am Ufer der Elbe und man kann sich nur schwer vorstellen, wie sie sich in den künftigen städtebaulichen Kontext eingliedern wird. Unmittelbare Nachbarn werden das Präventionszentrum von BGW und VBG von Auer und Weber und auf der anderen Seite der Gleise der kontrovers diskutierte Elbtower von David Chipperfield Architects sein. Die Ankunft in Hamburg wird somit in Zukunft eine Vielzahl an neuen Landmarks bieten. Ob die neue U-Bahnhaltestelle Elbbrücken allerdings der historischen Freihafenelbbrücke den Rang ablaufen wird, ist fraglich. Das hängt sicherlich davon ab, wie lange die Freihafenelbbrücke Hamburg überhaupt noch erhalten bleiben wird.

Fakten:
Bauzeit: 2016 – 2018
Fläche: 3.7850 qm BGF
Dachfläche: ca. 5.985 qm
Architektur: gmp · von Gerkan, Marg und Partner
Tragwerksplanung: schlaich bergemann partner
Bauherr: Hamburger Hochbahn AG
Lichtplanung: Conceptlicht
Fotografie: Marcus Bredt

Verortung U-Bahnhof Elbbrücken
Verortung U-Bahnhof Elbbrücken