zanderroth Architekten aus Berlin planen das neue Quartierszentrum in Stellingen
In jeder Stadt gibt es sie: die unbeachteten Quartiere. Sie schlummern jahrelang, teilweise angrenzend an die gefragten Stadtteile, vor sich hin – dankbar, noch links liegen gelassen zu werden. Für Neuankömmlinge sind sie uninteressant, für geborene und langjährige Städter*innen sind es die eigentlichen Underdogs. Denn sie sind noch nicht dem Verwertungsdruck der Stadt verfallen und gleichzeitig bergen sie enorme räumliche Qualitäten in sich. Stellingen ist so ein Underdog. Rau, laut, kleinteilig, ein eimsbüttelscher Ausläufer, der so viel mehr kann, als man ihm zutraut.
Nun soll im Zuge der Nachverdichtungspläne der Stadt Hamburg im geografischen Zentrum des Stadtteils ein neues Quartierszentrum entstehen. Auf der insgesamt 7,3 Hektar großen Fläche einer früheren Sportanlage, der Kampfbahn Stellingen, entstehen künftig verschiedene Wohnformen, soziale Einrichtungen, gewerbliche Nutzungen sowie ein breites Angebot an Nahversorgung. Das Wettbewerbsverfahren hierzu haben zanderroth Architekten gewonnen, die u.a. für ihre Berliner Baugruppenprojekte bekannt sind, wie etwa das kürzlich fertig gestellte Wohnensemble, das über einen Supermarkt gebaut wurde.
Straßenlärm vs. Lebenswerter Wohnraum?
Das Grundstück liegt zwischen der Borchertstraße, dem Basselweg und dem südlichen und westlichen Sportplatzring. In unmittelbarer Nachbarschaft gegenüber befinden sich zwei- und dreigeschossige Wohnhäuser aus den 60er Jahren. Der südliche Sportplatzring ist eine vierspurige Hauptverkehrsstraße, die zugleich als wichtiger Zubringer für die A7 und B4 dient. Um die vorherrschende Lärmbelastung zu bewältigen, wurde der Entwurf städtebaulich so entwickelt, dass er sich zur stark befahrenen Straße mit einer hohen Geschosszahl großstädtisch präsentiert, während er im nördlichen Bereich zum Neuen Stellinger Marktplatz den Maßstab des spazierenden Fußgängers aufgreift und sich mit zwei bis vier Geschossen zum Platz hin öffnet.
Das Quartierszentrum soll eine Nutzungsvielfalt aufweisen, weshalb im Erdgeschoss öffentliche Funktionen vorgesehen sind, wie ein Supermarkt und ein Stadtteilhaus, aber auch Cafés und ein Indoor Spielplatz, die zum Verweilen einladen sollen. Ab dem ersten Obergeschoss findet man Wohnen und kleinere Gewerbeeinheiten, wie beispielsweise Arztpraxen, vor.
Jugendwohnen, Microapartments, Maisonette- und Etagenwohnungen – ein Riegel mit einer besonderen Wohnungsvielfalt
Das achtgeschossige Hochhaus an der südwestlichen Spitze des Riegels besteht aus einem Mix aus Etagen- und Maisonettewohnungen in unterschiedlicher Größe. Im nördlichen Bereich befindet sich das Stadtteilhaus, in dem sowohl die regulären sozialen Funktionen als auch besondere Wohnformen (Jugendwohnen) des Trägers VIVO untergebracht sind. Der Bau zwischen dem Hochhaus und dem Stadtteilhaus beinhaltet Microapartments. Alle Wohnungen, die mit ihren sechs bzw. acht Geschossen zum stark befahrenen Sportplatzring gewandt sind, wurden so entworfen, dass sich die Schlafräume zum ruhigeren Marktplatz hin ausrichten.
Mittendrin und doch zurückgezogen: Wohnen am Marktplatz
Die vier niedrigeren Bauten auf der nördlichen Seite knüpfen an den langen Riegel an und bilden durch ihre bauliche Struktur Zwischenräume, die als gemeinschaftlich nutzbare Grün- und Außenräume genutzt werden sollen. Eine Passarelle dient als grüne Fußgängerbrücke, die zum einen die Wohnungen miteinander verbindet und zum anderen durch die perforierten Brüstungen Blickbeziehungen zum darunterliegenden Marktplatz schafft. Die Gebäude sind als Maisonettewohnungen ausgebildet und verfügen über privat nutzbare Gärten und Dachflächen.
Ein neuer Impuls für den Stadtteil
Da sich das Grundstück direkt an der stark befahrenen Straße befindet, ist solch eine Kubatur eine gute Lösung für diese Lärmsituation. Gleichzeitig wird der Riegel in drei Häuser geteilt, was den Entwurf wiederum in der städtebaulichen Gesamtheit lockert. Der Entwurf mag zum gegenüberliegenden Nachbarn zu massiv erscheinen, doch wer weiß, was in Zukunft mit dieser Bebauung geschehen soll. Die Zweiteilung zwischen der großstädtischen Struktur zum Sportplatzring und der kleinteiligen zum Neuen Stellinger Marktplatz schafft neue Qualitäten. Es wird spannend zu sehen, wie diese Orte von den Anwohnerinnen und Anwohnern angenommen werden. Hervorzuheben ist die Wohnungsvielfalt, die man auf der Fläche und insbesondere im Hochhaus vorfindet. Vom Microapartment, über Jugendwohnungen bis zur Maisonettewohnung: Das Hochhaus bietet Wohnraum für die unterschiedlichsten Bewohner*innen in ihren jeweiligen Lebensphasen und schafft dadurch eine Durchmischung.
Man kann sich nur wünschen, dass Stellingen weiterhin ein Underdog bleibt. Nach der Fertigstellung des neuen Quartierszentrums wird er in jedem Fall etwas urbaner.
Fakten:
Standort: Sportplatzring, Hamburg-Stellingen
Größe: 29.000 qm BGF
Bauherr: BUWOG Group
Architektur: zanderrotharchitekten