Architektur

Kommentar // Elbtower – na und?

Es ist noch nicht genau ein Jahr her, als Prof. Jürgen Bruns-Berentelg in marktschreierartiger Manier auf der MIPIM in Cannes das Projekt Elbtower vorgestellt hat. Ein neues Entree zum Tor zur Welt soll schnellstmöglich nach Hamburg – das beweist uns die gestrige Mitteilung des Senats. Der Baubeginn wurde bereits für 2021 anvisiert, Eröffnung des Gebäudes soll 2025 erfolgen. Bauherr und Architekturbüro stehen auch bereits fest: SIGNA Prima Selection AG aus Innsbruck hat das Grundstück erworben und David Chipperfield Architects aus London (bereits bekannt für das Empire Riverside Hotel auf St. Pauli) haben mit ihrem Entwurf die Jury überzeugen können.

Mit einer Höhe von insgesamt 235 Metern bildet das Gebäude zum einen den östlichen Abschluss der HafenCity, zum anderen begrüßt es mit seiner konkaven Form Ankommende aus dem Süden als erster Punkt zum Hamburger Zentrum hin. Das Grundstück, das sich zwischen Gleisen und einem Autobahnausläufer befindet, soll aufgrund der hohen Lärm- und Windbelastung für Wohnen nicht geeignet sein.

Mischnutzung im Sockelbereich | © SIGNA_Chipperfield

Das Gebäude greift zunächst die Höhe der letzten benachbarten Bauten im Westen der HafenCity auf und wächst dann gen Osten zum Hochhaus an. Die unteren Geschosse werden mit unterschiedlichen Funktionen ausgestattet, sodass sowohl Entertainment- sowie Edutainmentflächen als auch Einzelhandel und Gastronomie darin ihren Platz finden sollen. Nach oben hin wird es immer exklusiver: Ein Hotel, Boarding House, Fitnessstudio mit Wellnessbereich und Coworking Spaces sollen das Hochhaus weiter durchmischen, bevor sich darüber weitere Büroräume bis in die Spitze erstrecken. Einen öffentlichen Platz im Freien erlaubt auch hier die Lärm- und Windproblematik nicht, dieser soll daher ins Innere verlagert werden und ein tagesbelichtetes Atrium erhalten.

Blick vom Westen | © SIGNA_Chipperfield

Die Form mit der Drehung schafft ein spannendes, weiträumiges Aufgreifen des städtebaulichen Kontextes – Hamburg kann an dieser Stelle in jedem Fall ein Hochhaus vertragen. Die Wahl der Materialien aus Glas und Stein klingen interessant, man muss sich wohl bis zur Fertigstellung gedulden, um genau zu verstehen was damit gemeint ist, dafür sind die Perspektiven auf den Visualisierungen zu weit entfernt. Mit der Form endet auch der Zauber um das Gebäude. Selbst wenn Prof. Bruns-Berentelg von einem „[…]Zeichen für die Zukunftsfähigkeit der Hansestadt […]“ spricht und Timo Herzog, Vorstand der SIGNA AG, im Elbtower ein „[…] neues, urbanes Wahrzeichen […].“ sieht, so sollte man kurz innehalten.

Kann man unter einem zukunftsfähigen, urbanen Hochhaus einen Bürobau verstehen, der lediglich in den unteren Geschossen ein paar Konsumnutzungen beinhaltet?

Der Bauwelt Kongress im Dezember zeigte, dass man das Hochhaus als vertikale Stadt mit zahlreichen, unterschiedlichen Funktionen begreifen kann. Ob ein Schwimmbad im 20. Stock oder ein kleiner Park auf der 12. Etage, eine Durchmischung muss nicht nur im Sockel stattfinden. Das Konzept der vertikalen Stadt versuchte man selbst in der Elbphilharmonie umzusetzen. Warum jetzt nicht im Elbtower aber diesmal richtig? Denn gerade hier liegt die Chance, sich innovativ zu zeigen. Doch kann man überhaupt solche Konzepte von einem rein privat finanzierten Gebäude erwarten, oder ist das zuviel des Guten?

Eines ist klar: Der Elbtower gibt keine Antwort auf die tatsächlich benötigten Räume unserer Stadt. Und so sucht man alles Identitätsstiftende hier vergeblich. Denn dieses Gebäude wird sich nicht auf die Bewohner*innen Hamburgs einlassen. Und gerade deshalb: Weshalb produziert man dann so viel heiße Luft drum? Ist es wirklich nur die Höhe, die das Stadtbild stören könnte? Oder handelt es sich eher um einen kläglichen Versuch die Hamburger*innen von einer nicht vorhandenen Relevanz des Baus zu überzeugen?

Blick aus dem Baakenhafen | © Hosoya-Schaefer_Chipperfield

Der Elbtower ist in jedem Fall ein Zeichen unserer heutigen Gesellschaft. Und ja, vielleicht benötigen wir ihn, um zu zeigen, wofür unsere Städte im ersten Quartal des 21. Jahrhunderts standen. Der Elbtower wird einfach ein weiterer Bürobau für Hamburg werden, der nichts an seine Stadtbewohner*innen zurückgeben wird. Also, wen interessiert’s?

Verortung Elbtower