Architektur

Denkmal des Monats // Kraftwerk Bille

Von der Kathedrale der Elektrizität zu einem Kulturort. Das Kraftwerk Bille in Hammerbrook blickt auf eine lange Geschichte zurück.

Blick vom Bullerdeich auf das 1915 durch Th. Speckbötel entworfene erste Wandlerwerk, später als Zählereichwerk genutzte Gebäude, das das Grundstück nach Norden hin schließt. © Louisa Schwope

Wenn man überlegt, wie einflussreich elektrische Energie heute in allen Lebensbereichen ist, ist es eigentlich erstaunlich, dass es sie noch gar nicht so lange gibt. Vor rund 130 Jahren wurde noch die Anzahl der in der Stadt vorhandenen elektrischen Glühlampen erfasst, während es heute undenkbar ist, einen Tag ohne Stromversorgung auszukommen. Das Kraftwerk Bille in Hammerbrook ist das einzige erhaltene Kraftwerk aus der Anfangszeit der sogenannten „Centralen“ in Hamburg. Die frühen Kraftwerke werden auch Kathedralen der Elektrizität genannt. Wenn man in den erhebenden großen Hallen steht weiß man sofort, warum.

„H. E. W.“: In großen backsteinernen Lettern verrät der Bauherr, die Hamburgischen Electricitäts-Werke, seinen Namen. Einst bekrönte das Haus ein mehrgeschossiges Walmdach, das durch Bomben zerstört wurde.© Louisa Schwope

In Hammerbrook wurde auf einstigem Marschboden nach Erhöhung und Kanalisierung durch die HEW (Hamburger Electricitäts-Werke AG) von 1899 bis 1901 dieses Kraftwerk als Centrale an der Bille errichtet. Der produzierte Strom diente in erster Linie den Straßenbahnen und der Straßenbeleuchtung.

Blick auf die ehemalige Kesselhalle. Trotz starker Überformung der Fassade durch eine im Inneren eingezogene Galerie-Ebene mit entsprechenden Fenstern in den 1950er Jahren, sich die einstigen großen Rundbogen-Tore noch erkennen. © Louisa Schwope

Die drei Hallen zeigen die im Grunde auch heute noch typische Gliederung eines Kohlekraftwerks: ein ehemaliges Kohlenlager, in der Mitte die Kesselhalle, in der die Kohle verbrannt und Wasser erhitzt wurde, und rechts die Maschinenhalle, in der mit dem Wasserdampf Turbinen und darüber wiederum Generatoren angetrieben wurden. Dabei entsteht elektrischer Strom. Die Gebäude wurden im Laufe der Zeit umgebaut, weil sich der Bedarf und die Funktion des Kraftwerks geändert haben.

Kleine Passagen verbinden die Hallen im Ensemble. © Louisa Schwope

Nach dem ergänzenden Bau eines ersten Wandlerwerks im Jahr 1915, erfolgte in den 1930er Jahren die Umnutzung zu einem Umspannwerk. Das hohe Gebäude mit einer streng vertikalen Fassadengliederung, auf dem Richtung Westen heute der Schriftzug „EUROPA“ leuchtet, ist 1931 als zweites Wandlerwerk errichtet worden; Teile des alten Kohlenlagers wurden dafür abgerissen.

Schwere Stahltore in der Kesselhalle. Die grüne Stahlkonstruktion ist über 120 Jahre alt. © Louisa Schwope
An vielen Stellen ist den Gebäuden eine lange Nutzungsdauer anzusehen. © Louisa Schwope
Von hoher Qualität wurde vor 120 Jahren dieser 2 cm starke Maschinenboden gebaut. In welcher Industriehalle wäre heutzutage ein solches Schmuckstück anzutreffen? © Louisa Schwope

Vor hundert Jahren stand das Kraftwerk inmitten eines dicht besiedelten Wohngebietes. Keine 30 Meter entfernt standen fünfstöckige Wohnhäuser! Ein Feuersturm, ausgelöst durch die massive Bombardierung der „Operation Gomorrha“, hat im Juli 1943 quasi den kompletten Stadtteil ausgelöscht. Dass das Kraftwerk noch steht, ist umso erstaunlicher. Nachdem es fast zu einem Teilabriss gekommen wäre und massiv dagegen demonstriert wurde, steht das Kraftwerk seit 2011 unter Denkmalschutz. 

Blick in die Glaslaterne der Kesselhalle – mittlerweile ein Flickwerk, das jedoch in der zu drei Seiten umbauten Halle bei jeder Wetterlage eine gute Belichtung ermöglicht. © Louisa Schwope
Im 5. Obergeschoss des Wandlerwerks ist mittlerweile eine Hilfskonstruktion eingebaut. © Louisa Schwope

Über viele Jahre sind im Kraftwerk viele künstlerische und gewerbliche Nutzungen tätig gewesen, die sich sehr mit dem Ort identifizieren (wie beispielsweise die HALLO: Festspiele). Derzeit wird nach mehreren Verkäufen die Sanierung des Kraftwerks geplant. Wer die Presse verfolgt hat weiß, dass intensiv um die Nutzungen gestritten wurde. Mich hat über die letzten sieben Jahre über Engagement, Freundschaften, Arbeit vieles mit den Gebäuden verbunden. Ich hätte nicht gedacht, dass man so an alten Steinen hängen und von ihnen lernen kann!

Kofpverband an der einstigen Kesselhalle: Überreste eines zierenden Glasursteinbandes sind noch erkennbar. © Louisa Schwope

Wer mehr über die Gegend rund um den Bullerdeich erfahren möchte, dem*der möchte ich unsere Audiotour ans Herz legen: 
https://parksaudiotouren.bandcamp.com/album/von-kan-len-krieg-und-kraftwerken-die-bullerdeich-tour

DATEN:
Baujahr: 1899-1901
Umbauten: 1931/1938
Denkmalnummer Ensemble: 30171
Adresse: Anton-Ree-Weg 50, Bullerdeich 12, 14, 20537 Hamburg
Google-Maps-Link: https://goo.gl/maps/oaoQiGbidavPHFNo8

Verortung Kraftwerk Bille
Über Louisa Schwope
Auf ihrem Instagram-Account @denkmalanhamburg zeigt Louisa Schwope fotografische Begegnungen mit Hamburger Denkmälern. Unter dem Motto "Eine Einladung – ein Schaufenster – ein Spaziergang" will sie Lust machen, sich selbst auf Entdeckungstour zu begeben, Hamburgs Denkmäler mit neuem Blick zu betrachten.